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Des Pudels Kern
Von Helmut Müller, Wien
Ein umtriebiger Gesell geht um in Europa: der Populismus. Von den einen gescholten, von anderen geschätzt. Was ist von ihm wirklich zu halten? Zunächst einmal: es steckt in ihm das Wort Volk, und das ist ja an sich nichts Schlechtes. Allerdings kann damit nicht nur eine menschliche Gemeinschaft mit besonderer Identität gemeint sein, sondern auch eine bloß soziologische Wesenheit. Während der Rechtspopulismus auf erstere Bezug nimmt, beziehen sich seine hysterisch oder heuchlerisch keifenden Gegner, darunter ebenfalls Populisten zu finden sind, auf die zweite, in diesem Fall auf die von allem Völkischem befreite, rassisch durchmischte Gesellschaft.
Nun ist der rechte Populismus zwar auch Teil des Systems, daß er kritisiert, andererseits beunruhigt er die etablierten Systemnutznießer gerade deshalb. Nicht, daß diese das System an sich gefährdet sähen, doch die Macht und Geld verheißenden innenpolitischen Spielkarten könnten bei entsprechendem Erfolg einer populistischen Bewegung neu gemischt und verteilt werden. Schließlich weiß ja so mancher rechte Populist zu diesem Zwecke alle Register, von der politischen Attacke bis hin zur Show, zu ziehen. Was, zum Mißfallen seiner Gegner, besonders die von ihm angesprochenen „kleinen Leute“ beeindruckt.
Voraussetzungen für einen ernstzunehmenden, erfolgreichen Populismus können öffentliche Miesstände, politische Korruption, Steuerdruck oder die Einwanderung mit ihren für die autochthone Bevölkerung katastrophalen Folgen sein. In diesem Zusammenhang befinden sich EU-Diktatur und Globalisierung, die als Hauptverantwortliche für ökonomische und politische Grauslichkeiten ausgemacht werden, im hauptsächlich rechtspopulistischen Visier.
In jedem Fall beeilt sich jeder Populist, ob rechter oder linker, rechtzeitig am Ohr des Volkes zu sein, um gleichzeitig denen da oben und denen da draußen die Leviten zu lesen. Man schaut also erst einmal dem Volk „aufs Maul“, daher wird der Populist meist wie „einer von uns“ oder zumindest einer, der „unsere Sprache spricht“ gesehen. Einer, der aber, wie die Erfahrung lehrt, gegebenenfalls vor keinem noch so derben Affront oder peinlichem Auftritt zurückschrickt.
Populistische Bewegungen sind, je nach Staat oder Region, inhaltlich wie organisatorisch unterschiedlich ausgerichtet. Allgemein aber gilt: man möchte als demokratische Wahlbewegung anerkannt werden und auf Augenhöhe mit den politischen Mitbewerbern verhandeln können. Dies ist allen Populisten ein natürliches Anliegen, sie wollen schließlich am Staatskuchen teilhaben und innerhalb der repräsentativen Demokratie mitgestalten können. Rechte Populisten unterscheiden sich von ihren linken Konkurrenten oft nur in ihrer scharfen Anprangerung der durch die Globalisierung verursachten Fehlentwicklungen etwa auf dem Gebiet der Bevölkerungspolitik sowie einem ausgewiesenen Zugehörigkeits-Bekenntnis zu Kultur und Sprache. Doch scheinen sie sich in ihrer oft vermischten Sichtweise nicht im Klaren zu sein, daß das viel gepriesene, tagespolitisch aber missbrauchte demokratische Prinzip von den angeprangerten systembedingten Mißständen nicht getrennt gesehen werden kann. Es liegt ein Widerspruch darin, aktiver Teilhaber und endlich akzeptierter Nutznießer eines Systems zu sein und gleichzeitig den diesem innewohnenden für Völker und Kulturen tödlichen Giftcocktail zu verdammen.
Vergessen oder gerne übersehen wird auch, daß die so genannte demokratische Macht auf von Wahlgängen und Parlamentsbeschlüssen unbeeinflussten Vorstellungen und Plänen im Hintergrund beruht. Von daher ist es natürlich illusorisch, zu glauben, einen Wechsel des politischen Systems auf herkömmliche Art und Weise herbeiführen zu können. Selbst einem intelligenten und talentierten, aber in entscheidenden Fragen zögerlichen Populisten wie Haider musste ein solches Unterfangen sehr bald aussichtslos erschienen sein. Wer dann in solchen Fällen resignierend in Kategorien des politischen Gegners zu denken beginnt, die pseudodemokratischen Spielregeln mehr oder minder akzeptiert und sein ursprüngliches Ziel dabei auch noch aus den Augen verliert, endet irgendwann als politisches Auslaufmodell und nicht als Erneuerer oder Staatsmann.
Eine Schwäche, die viele populistische Bewegungen auszeichnet, ist die Abwesenheit einer politischen Doktrin, die nicht verhandelbar ist. Sich
bloß auf Mißstände einzuschießen, um weitere Mandate zu ergattern und Reförmchen anzustreben, sonst aber das System weiterwuchern zu lassen, kann nicht der politischen Weisheit letzter Schluß sein.
Wer das System nachhaltig bekämpfen will, muß allerdings erst einmal dessen ökonomische Natur kennen, die so doktrinär ist wie dessen Finanzarchitektur. Wer auf diesem Gebiet nicht eine eigene Doktrin ins Felde führen kann, wird von vorneherein scheitern.
Wenn nicht zuletzt immer wieder die Souveränität (oder Neutralität) eines Landes von überwiegend rechten Populisten beschworen wird, so ist auch hier die Ernsthaftigkeit des Engagements zu hinterfragen. Souveränität bedeutet ja in rechtlicher Hinsicht absolute Unabhängigkeit eines Staates gegenüber anderen oder gegenüber anmaßenden supranationalen Einrichtungen. Wenn nun rechte Populisten den Machtzuwachs- und mißbrauch des Brüsseler Monsters beklagen und für mehr nationale Entscheidungsbefugnisse eintreten, so wird damit ja noch kein Weg zu staatlicher Souveränität beschritten. Dem entspräche in Ansätzen erst die Forderung nach einem Austritt aus dieser EU, denn kein Land, daß die Herrschaft über seine Wirtschaft und seine Währung abgegeben hat, kann noch souverän sein. Das ist des Pudels Kern, den gerade auch Rechtspopulisten gerne ignorieren.