Ritzelconnection
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Erstellt: 06.12.07, 16:05 Betreff: Re: Doku Soap im Heimatsender... |
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...und der Hobbyfahrer-Trainer war auch beim Verein...Mein Opa hätte mir aber die Ohren lang gezogen, wenn ich seinen Namen als Spitzeldeckname benutzt hätte...
„Das war mir peinlich“ Wie Rad-Olympiasieger Jan Schur mit 18 Jahren als Stasi-IM geworben wurde
Leipzig. Nach dem langen Gespräch in der LVZ-Redaktion macht Jan Schur einen erleichterten Eindruck. „Ich wusste, dass es eines Tages auf den Tisch kommt“, sagte der Radsport-Olympiasieger zwei Stunden vorher. LVZ-Recherchen hatten ergeben, dass der Leipziger in den 80-er Jahren als informeller Mitarbeiter (IM) für die Staatssicherheit tätig war. Der 45-Jährige sprach erstmals offen über diesen Teil seiner Biografie, den er auch engsten Vertrauten bislang verschwiegen hatte. „Damals habe ich die Welt anders gesehen als heute.“ Der Sohn des größten DDR-Sportidols „Täve“ brennt Anfang der 80-er Jahre vor Ehrgeiz, will im Radsport in die Weltklasse vorstoßen. Gemäß seiner Erziehung ist der 18-Jährige gerade Kandidat der SED geworden. Schur war von der DDR überzeugt, heute sagt er: „Die Ideale im Sozialismus waren sehr gut, die Umsetzung auf deutsch gesagt scheiße.“ Als der DHfK-Renner im Sommer 1981 in ein Funktionärszimmer gebeten wird und eine Offerte zweier Stasi-Offiziere erhält, „da habe ich mich gebauchpinselt gefühlt“. Er sollte im Ausland für die DDR tätig sein: „Das hat mich stolz gemacht.“ In dieser Gewissheit habe er 1982 die Verpflichtungserklärung unterschrieben und sich den Vornamen seines Opas als Decknamen gegeben: IM Reinhold. „Schon bei den ersten zwei, drei Treffs wurde mir klar, dass es gar nicht um Auslandstätigkeit ging – sondern um Aushorchen. Ich sollte andere Sportler anschwärzen.“ Die Treffen fanden in konspirativen Wohnungen statt. „Mir war das peinlich. Doch ich wusste nicht, wie ich aus der Nummer rauskomme.“ Knatsch, für den sich die Sicherheitsleute interessierten, gab es im Radsport seinerzeit zur Genüge. Zum einen zwischen den Klubs, zumal sich die Sportler des Zivilvereins SC DHfK bei oft umstrittenen Nominierungen stets gegen die einflussreichen ASK (Armee) und Dynamo (Stasi/Polizei) durchsetzen mussten. Zoff gab es auch beim SC DHfK, wo die Söhne des Cheftrainers Günter Lux und Spitzentrainers Klaus Ampler zu seinen Kontrahenten zählten. „Mein Vater hat sich nie reingehängt. Das wollte ich auch gar nicht. Ich wollte es aus eigener Kraft schaffen“, so Jan Schur. In sieben Jahren hätten in konspirativen Wohnungen maximal zehn bis zwölf Treffen mit Stasi-Offizieren stattgefunden. Schur berichtete laut Aktenlage über einige Ansichten von „Problemkind“ Martin Goetze zur Militärstrategie der DDR. „Das eine oder andere hätte ich vielleicht so nicht sagen sollen, das tut mir leid. Aber generell muss ich mich bei niemandem entschuldigen.“ Martin Goetze konfrontierte ihn mal mit dem Vorwurf, Schur sei IM Täve gewesen. Dies verneinte IM Reinhold. Doch Goetze hatte nicht ganz Unrecht: Laut den Akten wurde Jan Schur vor seiner Unterschrift bereits abgeschöpft, er trug in der Zeit den vorläufigen Decknamen Täve. Als die Stasi ihn aufforderte, bei Partys des oppositionellen Klubs Aufbau Centrum vorbei zu schauen, sei er extra nicht hingegangen. „Aber ich will das heute nicht als Heldentat hinstellen. Grundsätzlich hatte ich nicht den Mut, der Stasi die Stirn zu bieten.“ Ende der 80-er Jahre sei er dann mutiger geworden. Mit zahlreichen Ausreden (Freundin, Trainingslager, Auslandsaufenthalt) ging er ab September 1988 zu keinem Treffen mehr. In jenem Monat wurde er in Seoul Olympiasieger mit dem Straßenvierer. „Danach war mir klar, dass sie mir nicht mehr an die Karre fahren können.“ Im Wende-Jahr 1989 beendete die Stasi die Zusammenarbeit und legte IM Reinhold zu den Akten. Jan Schur war nicht der einzige IM in der Abteilung Radsport des SC DHfK. Unter den Radsport-Trainern lieferten Michael Schiffner (seit 1972 IM Frank Fischer) und Roland Seeburg (seit 1974 IM Reinhold Bienek) regelmäßig Berichte. Schiffner, dessen Akte offensichtlich vernichtet wurde, war für die Stasi interessant, weil er im Ausland wegen seines berühmten Trainer-Vaters Werner Schiffner schnell Kontakt zum „Klassenfeind“ fand. Recherchen dieser Zeitung brachten zudem zutage, dass der ehemalige Radrenner, Stasi-Offizier und spätere Friedensfahrt-Organisator Jörg Strenger seine Geheimdienst-Karriere selbst als IM begann, ehe er in den hauptamtlichen Stab wechselte. Mit dem in der DDR phasenweise in Ungnade gefallenen Klaus Ampler führte die Stasi diverse Werbegespräche, doch es kam nach Aktenlage zu keiner Zusammenarbeit. Schiffner verlor wegen seiner Stasi-Vergangenheit 2005 seinen Job beim Team Milram. Als DDR-Spitzenfahrer und späterer Profi hatte Jan Schur natürlich Kontakt zu Doping. „Die blauen Pillen in der DDR waren pille-palle gegen das, was sich später in Sachen Doping auftat.“ Zu DDR-Zeiten habe er die Pillen nicht geschluckt. „Wer Oral-Turinabol einnahm, hat meist körperlich deutlich zugelegt, musste viel mehr Kilo mit sich schleppen.“ Ein Nachteil in der Ausdauersportart. „Ich habe die Pillen meinem Hund gegeben, der ist 17 Jahre alt geworden. Oder ich habe sie in der Toilette weggespült.“ Schur mahnt zu Vorsicht, wenn in alten Unterlagen die Doping-Dosis von DDR-Olympiasiegern gefunden wird. „Das muss nicht heißen, dass diese Dosis immer genommen wurde.“ Als Profi kam er 1992 ins Grübeln, als der berühmte Anstieg zum Alpe’d’Huez plötzlich wesentlich schneller erklommen wurde. Heute wisse man, dass das Blutdopingmittel Epo die Leistungsfähigkeit um 15 bis 20 Prozent steigert. Er lebte damals in Italien, habe sauber gearbeitet. „Ich habe mich sehr oft ins Koma gefahren, die Abwehrkräfte waren weg, ich habe mir eine Lungenentzündung weggeholt. Mit Epo wäre das sicher nicht passiert.“ In einem Hotel bekam er mit, wie einem Fahrer schlecht wurde. „Sein Blut war dick wie Pudding, als es ins Waschbecken lief.“ Über 40 gestorbene Radprofis seien eine ernste Warnung, die Zahl der Toten im Breitensport dagegen sei unbekannt. Gefährdet sieht er auch Freizeitsportler, die ohne Anleitung viel zu intensiv trainieren. Schur hatte in den Hochzeiten des Dopings Mühe mitzuhalten. Seine Karriere bekam 1994 durch einen Schlüsselbeinbruch und eine schwere Verletzung beim Fußball einen entscheidenden Knick. Er stürzte sich ins nächste Projekt. Mit „Täves Sporthotel“ hatte er es schwer, in Schierke Fuß zu fassen, er rutschte in die Insolvenz. Doch Schur gibt nicht auf. Er liegt in den letzten Zügen des Sportstudiums in Leipzig, seit zwei Jahren betreut er über die Jan und Täve Schur GmbH zahlreiche Freizeitsportler, erarbeitet Trainingspläne. Im Leistungssport ist er als Trainer des Steher-Europameisters Timo Scholz ebenfalls am Ball. Nun muss er mit dem öffentlichen Kapitel „Jan Schur und die Stasi“ leben. Frank Schober Datum: 06.12.2007
____________________ ...mit Campa durch die Pampa :-))
[editiert: 06.12.07, 16:06 von Ritzelconnection]
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