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Beitrag 856 von 912 (94%) |<   <   >   >|

Autor Jens Rehde
Datum 24.10.03, 09:38
Betreff Was waere, wenn ...... man Kinder knebeln koennte?


Quelle: http://www.jungewelt.de/2003/10-24/015.php



Was waere, wenn ...
... man Kinder knebeln koennte?
Mathias Wedel

Das habe ich mich an dieser Stelle schon einmal gefragt. Seitdem
erreichten mich viele Vorschlaege, wie eines der letzten Tabus unserer
Gesellschaft zu brechen waere – naemlich dass Kinder tun und lassen
koennen, was sie wollen. Das Knebeln wurde aus hygienischen Erwaegungen
(Infektionsgefahr in der kindlichen Mundhoehle, Erstickungsneigung bei
gleichzeitig aufkeimender Hysterie) abgelehnt. Gut, ich bestehe nicht
darauf; ich bin fuer Anregungen offen.



Am Montag kam ein Unterstuetzer unserer Initiative "Was waere, wenn man
Kinder knebeln koennte? e. V.", der Brandenburger Innenminister Joerg
Schoenbohm, mit seinem Vorschlag rueber – einfach und genial. Dieser
geht von der Tatsache aus, dass alle Verbrecher durch die Bank frueher
einmal Kinder waren. Das Uebel an der Wurzel zu ziehen, heisst folglich,
die Buben und Maedeln beim Schopfe zu packen. Dass sie erwachsen werden,
ist bei der derzeitigen Gesetzeslage nicht zu verhindern. Warum sie
jedoch nicht einer – natuerlich kindgemaessen, vielleicht sogar
spielerischen – vorbeugenden Form des Strafvollzugs ueberantworten? Ja,
warum nicht endlich auch an dieser Stelle den Reformknoten durchtrennen?




Die Crux liegt in dem Wort "vorbeugend". Bei allen Fortschritten in der
sozialdemokratischen Rechtspflege – lueckenlose Videoueberwachung bis
aufs Bahnhofsklo, Abbau von Buerokratie beim Abhoeren von Wohnungen,
Androhung von Folter bei Gefahr im Verzug und das lebenslange
"Wegsperren" auf Kanzlererlass: Der vorbeugende Strafvollzug scheint
noch immer ein Widerspruch in sich zu sein. Er erinnert zudem an die
alte "Schutzhaft", die auch in Brandenburg keiner will, weil die
ueberfuellten Gefaengnisse nicht auch noch Menschen eine Heimat bieten
koennen, welche ihre Straftat noch vor sich haben. Schoenbohm waere aber
kein moderner Politiker, ginge er nicht mit der Zeit, also der digitalen
Datenuebertragungstechnik via Satellit: Die elektronische Fussfessel hat
sich an den Sprunggelenken von Vollzugsurlaubern und Freigaengern
bewaehrt. Sie koennte, wenn der Riemen etwas eingekuerzt wuerde, auch
Kinderbeine "zieren". Und nebenbei: Wuerde man den Technikfreaks unter
den kleinen Gaunern, die ja auch stolz auf ihr cooles Handy sind, mit
dieser Anschaffung nicht sogar eine Freude machen – warum auch nicht?



Es geht nicht um alle Kinder. Nicht um die, die in die Geigenstunde
gehen, im Kirchenkreis basteln oder Sproesslinge hoeherer Beamter sind.
Wir wollen keinen Generalverdacht! Aber jene Minderjaehrigen, die
verniedlichend als "Schulschwaenzer" bezeichnet werden, sind nicht
verdaechtig, sondern schuldig: Sie entziehen sich im gewissen Sinne auch
dem Vollzug einer staatlichen Auflage, naemlich dem Unterricht. Sie sind
sozusagen fluechtig und zwar wiederholt. Und jeder dritte von ihnen
begeht auf der Flucht vor der Schule weitere Straftaten.



Von "vorbeugend" kann also keine Rede sein. Natuerlich wird sich jetzt
Geschrei erheben. Aber was waere die Alternative?
Unterrichtsfluechtlinge im Stadion zu internieren, wo sie verpflegt und
mit Leibesuebungen warmgehalten werden muessten! Wenn der Steuerzahler
die dafuer notwendigen Kosten schultern will, dann soll er es sagen.






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