Prokon: Klare Front gegen EnBW
Angestellte melden sich zu Wort und sprechen sich eindeutig für eine Zukunft als Genossenschaft aus
Itzehoe
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) will
Prokon erwerben – und beide würden sehr gut zueinander passen,
argumentiert der Konzern aus Karlsruhe. Die Reaktion an der
Kirchhoffstraße in Itzehoe: Viele Mitarbeiter sind genervt. An einer
Umfrage in der Belegschaft beteiligte sich rund die Hälfte der
Angestellten, 80 Prozent waren für eine Zukunft als Genossenschaft. Mit
der EnBW sehen sie sowohl die Idee hinter Prokon als auch viele
Arbeitsplätze und den Standort in Gefahr. Deshalb wagen sich einige
Angestellte jetzt in die Öffentlichkeit.
Am 2. Juli soll die Gläubigerversammlung in Hamburg entscheiden:
Genossenschaftsmodell oder Investorenlösung mit dem Einstieg von EnBW?
Seit er sein Angebot über 550 Millionen Euro bekannt gemacht hat, wirbt
der Energieriese intensiv um die Stimmen der 100 000 Gläubiger und will
zudem die Angestellten überzeugen (siehe Extra-Text).
Doch für viele sei der Name EnBW ein Schlag ins Gesicht gewesen, sagt
Nadja Bucholski, Projektmanagerin für Finanzierung. „Es war ein Schock
im Unternehmen: Damit können wir uns nicht identifizieren, dafür können
wir nicht kämpfen.“
Viele seien aus ethisch-politischer
Motivation bei Prokon, sagt Anne Dittrich, Projektmanagerin im
Energiehandel. EnBW betreibe weiter Atom- und Kohlekraftwerke, „das
passt einfach zu vielen von uns moralisch nicht“. Die Insolvenz sei
durchgestanden worden mit enormem Arbeitseinsatz und der Aussicht, die
Philosophie weiterleben zu können – dabei hätten viele andere Jobs
finden können, betont Angela Key, zuständig für Gehälter. Von einer
„absolut einzigartigen Firma weltweit“ spricht ein Kollege, der anonym
bleiben möchte. Und vor allem: „Wir haben die Kunden, die das wirklich
wollen. Welche Firma hat es geschafft, so viele Gleichgesinnte
zusammenzubringen?“
Ein anderer bekräftigt: Prokon sei aufgebaut worden mit
Genussrechtsinhabern, von denen viele von dem Thema überzeugt seien. Die
Angestellten täten alles dafür, den Verlust der Anleger zu minimieren,
sagt Nadja Bucholski. Anne Dittrich ergänzt: Die Genossenschaft bringe
die Chance auf Wiedergutmachung. Die erste Voraussetzung ist, dass
genügend Anleger ihre Genussrechte in Anteile an der Genossenschaft
umwandeln. Bis zum 26. Juni müssen dafür verbindliche Erklärungen
abgegeben werden für Forderungen aus Genussrechten in Höhe von
mindestens 660 Millionen Euro – sonst kommt der Genossenschafts-Insolvenzplan am 2. Juli gar nicht erst zur Abstimmung.
Das Genossenschaftsmodell sei auch wirtschaftlich besser, meinen die
Mitarbeiter. Die Insolvenzquote – also der Anteil, der vom angelegten
Geld übrig bleibt –, liegt höher, auch wenn bei der EnBW sofort Bargeld
fließt. Genossenschaftler wären an Prokon beteiligt mit allen Chancen
und Risiken, aber dass das Modell trage, hätten der Insolvenzverwalter
und die von ihm beauftragten Experten bestätigt. Zudem, sagt Anne
Dittrich, „wurde bei uns jeder Stein dreimal umgedreht“. Für die vielen
Projekte, die in Planung seien, stünden Banken zur Finanzierung bereit.
Die EnBW mit ihren jüngsten hohen Verlusten und den Kostenrisiken aus
der Stilllegung der Atomkraftwerke sei dagegen nicht der starke Partner,
als der sie sich präsentiere, meint ein Prokon-Mann.
Der Konzern wolle sehr günstig die Prokon-Windparks, die technische Betriebsführung und die Strom-Endkunden
übernehmen, nachdem er die Entwicklung bei den erneuerbaren Energien
verschlafen habe, vermutet Anne Dittrich. Der Rest sei bei EnBW
vorhanden und werde „über kurz oder lang platt gemacht“. Dass die
Karlsruher Prokon als eigenständiges mittelständisches Unternehmen
weiterführen würden, glauben die Mitarbeiter nicht. Es gehe bei diesen
Aussagen nur darum, Stimmen zu sammeln, urteilt einer: „Eine reine
Marketing-Veranstaltung.“
Lars Peter Ehrich