Landtagsrede von Detlef Matthiessen (Bündnis 90/Die Grünen) vom 11.12.2008 zu TOP 26, Unwirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken
Subventionierte Steinzeittechnologie
In Schleswig-Holstein sollen mehrere große Kohlekraftwerke neu gebaut werden. Damit würde die Treibhausgasemmission im Lande vervierfacht.
Das ist nicht nur in Schleswig-Holstein so sondern auch auf Bundesebene, wo etwa 30 neue Kohlekraftwerke geplant werde, die zirka 180 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittieren würden. Schleswig-Holstein würde dazu 18 Millionen Tonnen beitragen. Mit der Realisierung dieser Projekte ist Klimaschutzpolitik in Deutschland beendet.
Gleichzeitig wird die Wirtschaftlichkeit neuer kohlebefeuerter Kondensationskraftwerke immer fragwürdiger. Dafür spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
- Die Verfügbarkeit von neuen Kraftwerksanlagen ist begrenzt. Die Preise für
Kraftwerke steigen daher enorm an. (25 Prozent in den letzten drei Jahren). - Die Kohlepreise ziehen enorm an. (Verdoppelung in den letzten zwei Jahren).
- Die Preise für Zertifikate im Treibhausgashandel sind schwer zu kalkulieren. In Zukunft werden diese nicht mehr verschenkt werden.
- Die Auslastung der Kraftwerke steht in Frage.
Die Laufzeiten werden eingeschränkt durch Vorrang für Strom aus Erneuerbaren und Kraft-Wärme-Kopplung. Das unterstreicht auch eine neue Untersuchung der Universität Flensburg, die die Wirtschaftlichkeit der geplanten Investitionen am Standort Brunsbüttel verneint.
Nicht aus diesem Grund, aber aus diesem Anlass hat meine Fraktion diesen Antrag eingebracht, in dem vor ,,gestrandeten Investitionen" gewarnt wird.
Die Klimakiller sind nicht wirtschaftlich. Was für die Mark galt, gilt auch für den Euro.
Man kann ihn nicht zweimal ausgeben. Darum muss Geld in Erneuerbare und nicht in Kohle investiert werden. Sonst sieht es für den Klimaschutz kohlrabenschwarz aus. Privates und erst Recht öffentliches Geld darf nur für zukunftsfähige Technik ausgegeben werden.
Offensichtlich sieht auch der Bundesumweltminister die Möglichkeit der Unwirtschaftlichkeit von neuen Kohlekraftwerken.
So steht in der TAZ vom 27.11.08:
Energiekonzerne können auf Geld vom Staat für neue Kohlekraftwerke hoffen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte am Mittwoch auf der 3. Klimakonferenz des Energiekonzerns EnBW, dass ein Teil der künftigen Einnahmen aus dem Emissionshandel als Beihilfe für den Bau neuer Anlagen genutzt werden solle. Die rechtlichen Voraussetzungen auf EU-Ebene müssten jetzt in Brüssel geschaffen werden, sagte Gabriel. Der Minister verwies zur Begründung auf dramatisch gestiegene Anlagenpreise, die die Energiekonzerne vor Investitionen in Kraftwerke zurückschrecken ließen. Selbst wenn sie in Zukunft alle zur Stromproduktion benötigten CO2-Verschmutzungsrechte ersteigern müssen, wäre der weitere Betrieb alter und weniger effizienter Anlagen billiger als der Bau eines neuen Kraftwerkes.
Er will den Bau also subventionieren. Dabei sollen ausgerechnet die Mittel eingesetzt werden, die eigentlich zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen gedacht sind: Die Einnahmen aus dem Emissionshandel.
Die Kohlebegeisterung des so genannten Umweltministers kennt offenbar keine Grenzen, nicht einmal die der marktwirtschaftlichen Rentabilität. Wenn Dreckschleudern im Wettbewerb nicht mithalten können, dann sollten sie eben nicht gebaut werden. Einnahmen aus dem Emissionshandel als Subventionen für Kohlekraftwerke zu verbrennen, das kann nur einem Minister des Landes Absurdistan einfallen.
Die Ergebnisse neuer Untersuchungen an der Universität Flensburg zum Thema ,,Auswirkungen der Offshore-Windenergie auf den Betrieb von Kohlekraftwerken in Brunsbüttel" zeigen eindeutig, dass durch die gesetzlich festgelegte vorrangige Einspeisung von Windstrom in die Netze Strom aus Kohlekraftwerken verdrängt wird. Die geplanten Kohlekraftwerke in Brunsbüttel werden die geplanten jährlichen Betriebsstunden nicht erzielen können und deshalb keine Wirtschaftlichkeit erreichen.
Infolge des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung wird es eine tief greifende Umstrukturierung des nationalen Kraftwerkparkes geben.
Atomkraftwerke und große Kohlekraftwerke können als reine Kondensationskraftwerke Schwankungen des Stroms aus Wind und Sonne nicht ausgleichen, weil sie überwiegend Grundlaststrom erzeugen und nur sehr begrenzt ihre Leistung modulieren können.
Neue Kohlekraftwerke sind die nächsten Pleite-Immobilien. Prof. Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg, der die Untersuchung betreute, führte bei einer Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe (DUH) am 12.11.08 aus: ,,Die Ökonomie arbeitet für den Klimaschutz und für die Gegner neuer Kohle- und alter Kernkraftwerke".
Zum Thema Unwirtschaftlichkeit von Kohle gehört auch die Entwicklung neuer Konkurrenztechnologien. Die Kosten für Kraftwerkskohle werden aufgrund von beginnender Verknappung steil ansteigen, genauso wie die Kosten für die Klimaschädigung mit CO2.
Die Kohlereserven wurden bisher drastisch überbewertet. Eine Studie der Energy
Watch Group, dargelegt auf der Münchner Anhörung, belegt, dass die weltweite Verfügbarkeit von Kraftwerkskohle in den nächsten Jahren und Jahrzehnten geringer ist als bisher angenommen. Dies deckt sich mit einer Meldung der deutschen Steinkohlewirtschaft, die kürzlich vor Engpässen in der weltweiten Verfügbarkeit ab 2009 warnte. Die dann zu erwartenden drastischen Preissteigerungen lassen Kohlekraftwerke in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr wirtschaftlich arbeiten.
Alle reden von CCS, also der CO2-Abscheidung. Dafür wird eine erheblich größere Menge Kohle benötigt. Das Verfahren steigert die Kosten endgültig in unrealistische Dimensionen.
Es gibt eine klare Alternative zu neuen Kohlekraftwerken: Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, die Nutzung aller Effizienz- und Einsparpotenziale, und der Ausbau dezentraler hoch effizienter Gasverstromungsanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung - unter zunehmendem Anteil von Biogas.
Billiger Kohlestrom ist ein Märchen. Selbst wenn Kohlestrom verschenkt würde, dürften wir klimapolitisch keinen Gebrauch davon machen.