Der Kunde soll die grüne Wende schaffen
Von Michael Rockenbach. Aktualisiert am 05.03.2010
Immer wieder wurde die EBM für ihre Energiepolitik scharf kritisiert. Nun überlässt sie ihren Kunden den Entscheid über die künftige Ausrichtung: Wenn die Konsumenten mehr zahlen, wird in der Region mehr Ökostrom produziert. Sonst nicht.
Hans Büttiker, Direktor der Elektra Birseck Münchenstein (EBM), ist für viele Linke und Grüne ein Buhmann. Ein Ewiggestriger, der noch immer auf schmutzige Energie setzt, anstatt auf moderne, zukunftsweisende Technologien. Doch Büttiker lässt diese Vorwürfe an sich abprallen. Sein Plan einer EBM-Beteiligung an einem norddeutschen Kohlekraftwerk? Abgehakt. Sein Beharren auf Investitionen in ausländische Gaskraftwerke und inländische AKW? Leider nötig.
Nicht nur wegen der drohenden Stromlücke, sondern vor allem wegen der Kunden, die sich über neue Kohle- und AKW-Projekte empören, für sich selber dann aber doch den preisgünstigen Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen bestellen. Eine Theorie, die Büttiker nach einem kurzen Blick in die EBM-Kundenkartei bestätigt sah. Denn auch von den Vertretern der SP Gempen, die sich in einer Resolution sehr bestimmt gegen Kohle und für erneuerbare Energien ausgesprochen haben, bezieht kaum einer atomfreien oder Naturstrom. «Die politische Aussage steht oft im Widerspruch zum Griff ins Portemonnaie», bemerkte Büttiker dazu vor Kurzem an einer Presseorientierung.
Neues Modell
Danach waren Linke und Grüne natürlich wieder einmal empört über Buhmann Büttiker. Die Kundendaten hätten von der EBM nicht ausgewertet werden dürfen, sagten sie. Und die Kunden schon gar nicht als «Heuchler» beschimpft werden dürfen. Die Grünen Baselland warfen der EBM zudem vor, falsche Anreize zu setzen. «Andere Energieversorger machen es längst vor, wie es funktionieren sollte», schreiben sie. Die Industriellen Werke Basel (IWB) zum Beispiel verkaufen nur noch ökologisch zertifizierten Strom und die Elektrizitätswerke Zürich (EWZ) liefern standardmässig Strom aus erneuerbaren Quellen. Wer im Kanton Zürich und Teilen des Bündnerlands billigeren AKW-Strom will, muss diesen ausdrücklich bestellen.
Doch plötzlich allen Strom aus Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken beziehen, das kann die EBM nicht (mehr dazu im nebenstehenden Text). Und die erneuerbare Energie zum Standard erklären, das will sie nicht. Dafür ist die Umstellung laut EBM zu umstritten. Tatsächlich sorgte sie auch in Zürich für erheblich böses Blut. Die Konsumentenzeitschrift «Beobachter» zum Beispiel warf den EWZ vor, den sauberen «Ökostrom» mit «unsauberen Methoden» zu verkaufen. Weil auch jene Kunden, die aus Unachtsamkeit oder Desinteresse nicht auf die Ankündigung des neuen Modells reagierten, von einem Tag auf den anderen mehr zahlen mussten.
«Ein ehrgeiziges Ziel»
«Das will ich unseren Kunden nicht zumuten», sagt Büttiker. Trotzdem möchte auch er «noch so gerne» mehr Ökostrom verkaufen. Erreichen will er dieses Ziel mit einer Plakate-, Inserate- und Informationskampagne. Nach Informationen der BaZ plant die EBM zudem, eine neue, möglichst günstige Ökolinie einzuführen und das ganze Sortiment zu vereinfachen. Dazu äussern will sich das Unternehmen aber erst im April beim Start der Kampagne.
Falls die Nachfrage danach tatsächlich steigt, will die EBM laut Büttiker auch in der Region in kleine Wasserkraftwerke investieren sowie in Fotovoltaikanlagen: «Es gäbe jede Menge Privatleute und Unternehmen, die bereit wären, ihre Dächer zur Verfügung zu stellen.» Mit ihrer Hilfe will die EBM bis 2030 fünf Prozent ihres Strombezugs aus inländischer Produktion mit neuen erneuerbaren Energien abdecken – heute sind es weniger als ein Prozent. «Ein ehrgeiziges Ziel», sagt Büttiker. Denn er befürchtet, dass weiterhin nicht sehr viele den höheren Preis für neue Technologien zu zahlen bereit sind.
Zehn Prozent Umsteiger
In anderen Stromunternehmen ist man zuversichtlicher. «Wenn Kunden gut informiert werden, zahlen sie für Qualität und Ökologie auch den entsprechenden Preis», sagt Harry Graf, Sprecher der EWZ.
Nach der breit angelegten Werbekampagne «Wählen Sie Ökostrom» seien 28 000 der insgesamt rund 240 000 EWZ-Kunden auf Ökostrom von Solaranlagen und naturnahen Wasserkraftwerken umgestiegen. So konnten die Zürcher den Absatz in diesem Bereich Jahr für Jahr um mehrere Prozentpunkte erhöhen. Zumindest für Graf steht nun fest, dass das Potenzial der erneuerbaren Energien noch ziemlich gross ist. (bazonline.ch/Newsnetz)
Erstellt: 05.03.2010, 06:45 Uhr
Quelle und Umfrage, ob die Kunden trotz des höheren Preises mehr Ökostrom bestellen: http://bazonline.ch/basel/stadt/Der-Kunde-soll-die-gruene-Wende-schaffen/story/10963368