Zwei Messen auf Kollisionskurs
Das Tischtuch scheint endgültig zerschnitten: Hamburg und Husum basteln getrennt an der jeweils größten Leistungsschau der Wind-Branche
Hamburg/Husum
Dass die „Husum Windenergy“ Charme besitzt – das bestreitet auch
Thomas Richterich nicht, der Vorsitzende der Windbranche im Verband
Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) und Chef des Hamburger
Windkraft-Produzenten „Nordex“. „Man kann dort
an einem Abend in der Kneipe mehr über unsere Branche erfahren als
woanders innerhalb von zwei Jahren.“ Trotzdem tickt aus Sicht
Richterichs für die nordfriesische Kreisstadt die Uhr als Austragungsort
der weltweiten Leitmesse. Nicht zuletzt durch die neue Offshore-Technologie
und den Atomausstieg habe der Markt Dimensionen angenommen, die seiner
Einschätzung nach Husums Kapazitäten übersteigen. Deshalb will sich der
VDMA aus seiner Kooperation mit den Schleswig-Holsteinern
verabschieden und im September 2014 Hamburg zum Austragungsort einer
eigenen Schau machen – exakt eine Woche vor der geplanten Messe in
Husum. Das kündigte die Vereinigung, die 300 Produzenten und Zulieferer
aus dem Wind-Geschäft vertritt, gestern in der Hansestadt an.
Richterich griff zu einem Zahlenvergleich: 2003 seien weltweit
Rotoren mit einer Leistung von 3000 Megawatt errichtet worden, jeder
zweite in Deutschland. 2011 entstehe eine Leistung von 30 000 Watt – je
ein Drittel in Asien, Amerika und Europa, gerade noch fünf Prozent davon
in der Bundesrepublik. Entsprechend weite sich der Radius, aus dem es
Kunden anzusprechen gelte. „Wir müssen diesen Schritt wagen, weil sich
die Welt geändert hat“, sagte Richterich. Ansonsten bestehe „die Gefahr,
dass Husum immer weiter in den Hintergrund gerät“. Immerhin zehn
konkurrierende Städte in Europa würden versuchen, ihrerseits „den
Anspruch auf eine Leitmesse durchzusetzen“. Noch in diesem Jahrzehnt, so
VDMA-Geschäftsführer Thorsten Herdan, müsse die
Ausstellungsfläche von 35 000 Quadratmetern wie zuletzt in Husum auf
70 000 verdoppelt werden. Statt für 25 000 Besucher werde Platz für
60 000 benötigt. Herdan unterstrich: Bereits bei Beginn der
Zusammenarbeit mit den Nordfriesen 2006/07 habe sein Verband sein
Bekenntnis zur Westküste „davon abhängig gemacht, den Standort immer
wieder durch die Industrie überprüfen zulassen.
Was er verschwieg: Zuvor – 2002, 2004 und 2006 – hatte sich Hamburg
bereits einmal als Austragungsort einer Windmesse versucht– jeweils
erfolglos. „Unser einziger Fehler war, dass wir damals den
Kooperationsvertrag mit Hamburg geschlossen haben und die Hanseaten
damit künstlich am Leben gehalten haben“, erklärte gestern ein Insider
der Branche. Der Traditionsstandort Husum besitze „emotionale Qualität“,
die man nicht einfach an der Elbe imitieren könne. Er fürchtet um über
Jahre aufgebautes Vertrauen, das gerade im Windkraft-Geschäft beim Verkauf von Prototypen so wichtig sei.
Doch das spielt offenbar für den VDMA keine Rolle mehr. Die
Einmischung der Politik bei der Ausrichtung der Messe hält Herdan nicht
für hilfreich: „Das ist in erster Linie eine Angelegenheit der
Industrie.“ Unter anderem mit Repower und Siemens hätten sich gewichtige
Mitspieler mittlerweile in Hamburg angesiedelt. Hinzu komme die
maritime Wirtschaft in der Elbmetropole, auf deren Kompetenz die
Windkraft-Produzenten im Offshore-Bereich angewiesen seien. Ausdrücklich betonten sowohl die VDMA-Spitze als auch der Chef der Hamburg-Messe,
Bernd Aufderheide, für Husum stünden die Türen zu einer Kooperation
weit offen. „Wenn es 2014 zwei Messen gibt, können beide nur verlieren“,
befürchtet Herdan.
Genau so wird es wohl kommen. „Es gab vom VDMA kein einziges Angebot,
wie eine Kooperation denn aussehen könnte“, kritisiert der
Geschäftsführer der Husumer Messe-Gesellschaft,
Peter Becker. „Der VDMA macht die Messe, Husum ist raus – das war der
einzige Botschaft der Gespräche“, beklagt er sich. Sein Kommentar zu den
Ankündigungen in Hamburg gestern: „Das ist eine klare Kampfansage – und
die nehmen wir an.“ Becker verweist auf die Groß-Produzenten Vestas und
Enercon, die beide ebenso an Husum festhalten wie der Bundesverband
Windenergie. Nach Schätzungen Beckers repräsentieren die im VDMA
organisierten Betriebe derzeit „höchstens 30 Prozent der Marktmacht“.
Für die „Husum Windenergy“ 2014 liegen laut Becker bereits 350
Anmeldungen vor. Er ist sich deshalb sicher: „Auch dann findet die
weltgrößte Windmesse bei uns statt.“
Frank Jung / Margret Kiosz