Merkel bringt ihr Kabinett auf Linie
Meseberg
Angela Merkel könnte jetzt einmal so richtig auf den Tisch hauen.
Nicht mit der Faust. Sondern mit ihrer Krücke, auf die die Kanzlerin
sich seit einem Skiunfall im Weihnachtsurlaub stützen muss. Etwa, wenn
Vizekanzler Sigmar Gabriel gleich zur ersten Klausur des neuen schwarz-roten
Kabinetts zu spät ins Schloss Meseberg kommt und somit ein geplanter
gemeinsamer Auftritt mit der Regierungschefin verschoben werden muss.
Gabriels kurzsilbige Begründung: „Verkehr“. Andere Regierungsmitglieder
hatten es gestern pünktlich über die verschneiten Straßen zum Gästehaus
der Regierung ins Brandenburgische geschafft.
Merkel zeigt Gabriel aber auf andere Weise Grenzen auf. Damit geht es
nicht um Kleinigkeiten wie Unpünktlichkeit, sondern um die ganz große
Herausforderung ihrer zweiten großen Koalition: die Energiewende. Das
Thema liegt bei Wirtschaftsminister Gabriel. Schafft er es, das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so zu reformieren, dass Rabatte für manche Industrieanlagen gekappt, Vergütungen für Ökoenergie-Anlagen
verringert und so der Strompreisanstieg gebremst wird – ohne große
Proteste von Interessenverbänden und Bevölkerung –, könnte er der Star
der Regierung und der Union bei der Bundestagswahl 2017 sehr gefährlich
werden. Doch Merkel stellte in Meseberg nun klar: „Das wird ein Projekt
der gesamten Bundesregierung und nicht ein Projekt nur eines Ministers.“
Keinesfalls will sie einen Erfolg bei der Energiewende allein mit ihrem
neuen Koalitionspartner nach Hause gehen lassen. Das heißt aber auch,
dass ein Scheitern ebenso ihr zugeschrieben werden müsste.
Erfahrungsgemäß macht sie sich aber nur Projekte zu eigen, mit denen sie
auch zu gewinnen glaubt.
Kabinett billigt Eckpunkte
zur Energiewende
Gabriel legte dem Kabinett gestern seine Eckpunkte für eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
(EEG) vor. Damit will er den rasanten Kostenanstieg der vergangenen
Jahre zumindest bremsen. Widerstand kam von der CSU aber gegen die
vorgesehenen Kürzungen bei der Förderung von Biogas-Anlagen. Hier hatte Gabriel „eine ambitionierte Degression“ angekündigt und die Branche aufgeschreckt. Auf Druck der CSU-Minister Hans-Peter
Friedrich (Landwirtschaft), Gerd Müller (Entwicklung) und Alexander
Dobrindt (Verkehr) wurde dem Kabinettsbeschluss nun eine Protokollnotiz
hinzugefügt. „Die Vergütung von Anlagen bis 75 Kilowattstunden (...)
muss auch zukünftig erhalten bleiben“, sagte Friedrich. Die Biomasse,
die viel zur Grundlast beiträgt, werde gebraucht, um Schwankungen bei
Wind- und Sonnenstrom auszugleichen. Grünstrom-Anbieter in Bayern profitieren unter den Bundesländern erheblich von der EEG-Förderung, die Verbraucher und Wirtschaft als Umlage mit dem Strompreis bezahlen müssen.
Die Klausur in Meseberg wird heute fortgesetzt – dann mit den Themen
Europapolitik, Rentenpolitik und der Rolle Deutschlands in zentralen
Konflikten. Bei dem letzten Punkt hatte Außenminister Frank
-Walter
Steinmeier mit Überlegungen zu einem zurückhaltenden Einsatz der
Bundeswehr in der Zentralafrikanischen Republik bereits im Revier von
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gefischt.
Kristina Dunz