...dass sich meine Tierliebe inzwischen verfestigt
hatte, sollte folgende kleine Episode belegen.
In dem betreffenden Jahr hatte sich die Oder,
wie üblich bei Frühjahrsüberschwemmungen,
bis an unsere Gartentür hin ausgeweitet. Eines
Tages, es waren immer noch einige Restlöcher auf
den nahen Oderwiesen verblieben, zogen mein Bruder
und ich mit selbstgebauten Keschern ausgerüstet
los, um auf Fischfang zu gehen.
Unser Glückszustand kannte nun bald keine Grenzen mehr,
denn wir fingen tatsächlich zwei Hechte, die wir flugs
und voller Begeisterung an den häuslichen Herd schafften.
Allerdings, als es ans Schlachten ging, unsere Mut-ter
hatte die Messer bereits gewetzt, wollten wir es nicht
zulassen, dass die in unseren Augen wunderschönen Hechte
einfach so getötet wurden. Ich weiß nicht weshalb, aber
selbst sie ließ sich von uns überzeugen, dass diese
wunderbaren Tiere auf jeden Fall ein anderes Schicksal
verdient hätten. Uns fiel, zu unserem Glück eine Kneipe
ein, in deren Garten ein Anglerverein gerade ein Schaubassin
für einheimische Fische eingerichtet hatte. Der Wirt freute
sich jedenfalls von ganzem Herzen mit uns, als er unser
Geschenk betrachten durfte. Allerdings gestanden wir es
ihm erst zu nachdem er uns glaubhaft ver-sichert hatte,
dass die Fische am Leben bleiben würden. Wir konnten
danach reich beschenkt, jeder mit einer Rolle Kekse
versehen, den Heimweg antreten.
Tage später kam uns in den Sinn einmal nach unseren
Lieblingen zu schauen. Als wir sie im Becken nicht
entdecken konnten, erkundigten wir uns, von tiefer
Sorge erfüllt, beim Wirt nach unseren Hechten. Das
hätten wir mal lieber nicht tun sollen. Mit Zornesröte
im Gesicht jagte er uns nämlich aus der Gaststätte,
nicht ohne uns hinterher zu fluchen: „Lasst euch hier
nie wieder blicken"! Grund für die Aufregung des Wirtes
war, dass die Hechte in dieser reichlichen Futterkrippe
und das in kürzester Zeit, ein aus Anglers und Wirtes
Sicht grausames Blutbad anrichteten. Überlebt hatten
wohl nur ein paar übergewichtige Karpfen.