Forum Grundeinkommen Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen" * 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
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Am Freitag, 15. Oktober 2004 14:20 hat Wolfgang Strengmann geschrieben:
> Es gibt doch hier vielleicht auch JuristInnen unter aus oder > vielleicht wissen auch die BAGSHI-Leute Bescheid. Wie ist denn > das mit der jetzigen Sozialhilfe? Da gibt es ja auch schon den > Zwang zur Arbeitsbereitschaft, was ja eigentlich - unserer > Meinung nach - Art. 1 GG widerspricht. Gab es dagegen eigentlich > schon einmal eine Verfassungsbeschwerde? Und wenn ja, wie hat > das BVerfassungsgericht entschieden?
Mir persönlich ist nichts darüber bekannt, daß wegen der gzA (gemeinnützige, zusätzliche Arbeit) jemals Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde und es würde mich natürlich ebenso interessieren.
Bei Hartz IV geht es allerdings im Gegensatz zu den Bestimmungen in der derzeitigen Sozialhilfe nunmehr um Arbeiten, die "im öffentlichen Interesse" sein müssen, also nicht mehr um rein *ZUSÄTZLICHE* Arbeiten (an dem Kriterium der Zusätzlichkeit sind übrigens sehr viele Aufforderungen zur gzA gescheitert, weil durch dieses Kriterium sichergestellt werden sollte, daß keine regulären Arbeitsplätze vernichtet werden - dies ist durch Hartz IV nun jedoch infragegestellt).
> Wenn nicht, wird es endlich Zeit, eine Verfassungsbeschwerde > anzustrengen. Ich halte es fuer diesen Fall nicht fuer > ausgeschlossen tatsaechlich auch erfolgreich zu sein.
Es laufen bereits Beschwerden - eine dieser Beschwerden ist beispielsweise dokumentiert unter:
Die Arbeitspflicht, die mit der Sozialhilfe verbunden ist, als Zwangsarbeit zu bezeichnen, ist in meinen Augen bestenfalls in überzeichnender Absicht sinnvoll. In nüchtern analytischer Hinsicht macht das keinen Sinn und würde im übrigen die wirkliche Zwangsarbeit auch indirekt stark verharmlosen. Und das wird ja sicherlich auch niemand wollen. Daß die Arbeitspflicht eine beklagenswerte Gängelei bedeutet, die auch die betroffenen Staatsbürger zu Bürgern zweiter Klasse degradiert, darin sind wir uns ja wahrscheinlich einig. Aber man muß auch sehen, daß die Arbeitspflicht bei der Sozialhilfe damit zusammenhängt, daß die Sozialhilfe für Bedürftige gedacht ist, und da ist es innerhalb dieser Logik nur konsequent ist, wenn man diejenigen, die arbeiten können, zur Arbeit verpflichtet. Die Sozialhilfe ist eben kein Grundeinkommen! Sozialhilfe ist nicht bedingungslos. Das ist für sie konstitutiv! Ein Grundeinkommen bekommt jeder "bedingungslos", daher muß man dort auch keine Bedingungen stellen. Das Verfassungsgerichtsurteil zur Sozialhilfe bezieht sich auf die Höhe der Leistung und setzt natürlich die Hilfsbedürftigkeit als Bedingung des Empfangs von Sozialhilfe immer schon voraus. Das ist ja geradezu eine Trivialität. Also mit Klagen diesbezüglich was erreichen zu wollen, halten ich für aussichtslos. Wie es sich bei Hartz IV und ALG II verhält, ist dann eine weitere Frage.
Am Freitag, 15. Oktober 2004 17:00 hat Manuel Franzmann geschrieben:
> Die Arbeitspflicht, die mit der Sozialhilfe verbunden ist, als > Zwangsarbeit zu bezeichnen, ist in meinen Augen bestenfalls in > überzeichnender Absicht sinnvoll. In nüchtern analytischer > Hinsicht macht das keinen Sinn und würde im übrigen die > wirkliche Zwangsarbeit auch indirekt stark verharmlosen.
Darüber ließe sich ohne weiteres kontrovers diskutieren. Ich habe soeben eine ausführliche Definition unter:
gelesen, welche Ihr Argument, die Zwangsarbeit während der Zeit des Nationalsozialismus zu verharmlosen, durchaus berücksichtigt.
Ebenso hat Sir Ralf Dahrendorf (Professor für Sozialwissenschaften und Mitglied im britischen Oberhaus) bereits im Jahr 2000 im Zusammenhang mit der Bindung von Anrechten an Leistungen von Zwangsarbeit bzw. von Varianten von Zwangsarbeit gesprochen - vgl. dazu:
> Aber man muß auch sehen, daß > die Arbeitspflicht bei der Sozialhilfe damit zusammenhängt, daß > die Sozialhilfe für Bedürftige gedacht ist, und da ist es > innerhalb dieser Logik nur konsequent ist, wenn man diejenigen, > die arbeiten können, zur Arbeit verpflichtet.
Solange die Empfänger von Transferleistungen diese Arbeit selbst wählen können, d.h. solange sie die Möglichkeit haben, mit dem Arbeitgeber einen Vertrag frei einzugehen bzw. auszuhandeln, ist dagegen nichts einzuwenden. Leider ist bei der gzA genau das Gegenteil der Fall! Hartz IV geht sogar noch weiter. Auf eine telefonische Anfrage diesbezüglich wurde mir von einem Sachbearbeiter mitgeteilt, daß man nun berechtigt sei, grundsätzlich jeden Erwerbslosen (völlig gleich, ob es sich nun um einen promovierten Akademiker oder um einen Facharbeiter handelt) sofort und ohne jegliches Vorgespräch zum Aufsammeln von Hundekot in öffentliche Parks schicken zu können. Dies wiederum wird allerdings reguläre Arbeitsplätze im Bereich Landschaftsgärtnerei bzw. Garten- bzw. Parkpflege vernichten.
> Die Sozialhilfe > ist eben kein Grundeinkommen! Sozialhilfe ist nicht > bedingungslos. Das ist für sie konstitutiv!
Ohne Zweifel. Dennoch gehören die Praktiken der Sozial- bzw. Arbeitsämter m. E. nach wie vor auf den Prüfstand. Hartz IV war nur eine logische Folge dessen, daß dies von einer Öffentlichkeit bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist.
> Ein Grundeinkommen > bekommt jeder "bedingungslos", daher muß man dort auch keine > Bedingungen stellen.
So sehe ich dies ebenfalls, nur sollte die derzeitige Praxis der Hilfegewährung auf jeden Fall überprüft und ggf. auch dort, wo es notwendig ist, schonungslos kritisiert werden. Nur so werden sich klare, gute und nachvollziehbare Begründungen für ein BGE finden lassen.
mir ist schon klar, daß man als Gegenleistung für den Erhalt der Sozialhilfe auch zu vom Sozialamt vorgegebenen Tätigkeiten gezwungen werden kann. Und mir liegt es völlig fern, den Skandalcharakter dieses Vorgehens seinerseits zu verharmlosen oder herunterzureden. Mir geht es nur darum, daß man begrifflich klar unterscheidet zwischen einer Arbeit, zu der man unmittelbar gezwungen wird, wie die Arbeit der Zwangsarbeiter des dritten Reiches, und Arbeit, zu der man im Rahmen der Logik von Leistung und Gegenleistung gezwungen wird, wie bei der Sozialhilfe. Und letzteres ist wirklich etwas vollkommen anderes. Ich halte es für falsch, wenn man zur Herausstellung der Negativität der Gängelei bei der Sozialhilfe so tut, als handelte es sich bei dieser Gängelei und der Zwangsarbeit bei den Nazis bloß um zwei Varianten des Gleichen. Das wird der Sache einfach nicht gerecht.
Am Freitag, 15. Oktober 2004 18:55 hat Manuel Franzmann geschrieben:
> Ich halte es für falsch, wenn man zur Herausstellung der > Negativität der Gängelei bei der Sozialhilfe so tut, als handelte > es sich bei dieser Gängelei und der Zwangsarbeit bei den Nazis > bloß um zwei Varianten des Gleichen. Das wird der Sache einfach > nicht gerecht.
Dahrendorf hat dies auch nicht miteinander verglichen, oder haben Sie seinen Essay dahingehend verstanden? Falls ja, bitte ich um entsprechende Zitate aus seinem Text.
Manuel Franzmanns Argument zum Thema „Arbeitszwang“:
„Mir geht es nur darum, daß man begrifflich klar unterscheidet zwischen einer Arbeit, zu der man unmittelbar gezwungen wird, wie die Arbeit der Zwangsarbeiter des dritten Reiches, und Arbeit, zu der man im Rahmen der Logik von Leistung und Gegenleistung gezwungen wird, wie bei der Sozialhilfe. Und letzteres ist wirklich etwas vollkommen anderes.“
ist vollkommen richtig und sehr wesentlich. Die sozialrevolutionäre und pathetisch-polemische Behauptung, es handele sich bei der derzeitigen Sozialhilfe und dem künftigen Arbeitslosengeld um „Zwangsarbeit“, ist politischer Unsinn und nützt der Grundeinkommensidee nicht.
Der „Arbeitszwang“ entsteht allein aus der Not fehlender alternative Existenzsicherungspfade --- eine Not, die die Menschheit nie (!) anders kannte.
Die Grundeinkommensidee will diese jahrtausende Existenzsicherungsangst des Menschen transformieren und die Gemeinschaft Aller in die Pflicht eines Jeden nehmen. Das ist etwas historisch Unerhörtes. Darüber müssen wir nachdenken. Darüber nachdenken kann und muss jeder, nicht nur die Akademiker. Aber eben denken.
Erstellt: 15.10.04, 19:24 Betreff: Logik von Leistung und Gegenleistungdruckenweiterempfehlen
Der Staat hat die Pflicht, Sicherheit und Freiheit zu schützen. Dies ist seine primäre Aufgabe und seine Existenzberechtigung. Hieraus entsteht ihm Bürgern und Organen gegenüber das Recht, Gesetze zu geben. Die Bürger haben ein Recht auf Sicherheit und Freiheit und die Pflicht, dieses Recht jedem anderen (Bürger oder Staat) zuzuge- stehen. Anders ist hier das Verhältnis von Staat zu Bürgern; Erster ist nicht verpflichtet letzeren sein Recht (nämlich Gesetze zu geben) zuzugestehen, sondern entsteht den Bürgern hier eine zweite Pflicht; das Gesetzgebungsmonopol des Staates anzuerkennen. Der Staat fordert von den Bürgern also schon immer (StGB LBauO oder auch nur StVO seien genannt) und damit aus der Forderung plausibel auch eine Erwartung werde, bedarf es eines gewissen Rechts; des Verfügungsrechts über die Existenzmittel. Nun fordert der Staat darüber hinaus gehendes; die Bereitschaft zu Arbeit, zur Suche danach, und erklärt ein Recht auf eXistenz- mittel zur diese Forderung auslösenden, sie rechtfertigenden Förderung. War nicht aber der sich aus dem X-min-Recht ergebenden Pflicht genüge getan, indem 1. das gleiche Recht einem jeden zugestan- den einerseits, und 2. den vielfältigen Gesellschaftnormen nachgekommen wird andererseits?
Erstellt: 15.10.04, 19:41 Betreff: „Arbeitszwang“ entsteht allein aus der Notdruckenweiterempfehlen
Arbeitszwang ist, sofern es sich bei ihm nicht um eindeutige Straf- aktionen handelt, also jener die Habenichtse betreffende, eine Erfindung der Bürgergeselschaft. Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht auf die Malediven fliegen. Anders ist der Spruch sinnvoll nicht zu deuten. "Wenn einer die Güter der Welt besitzt und seinen Bruder Not leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt, wie kann in dem die Liebe Gottes bleiben?" 1.John. 3.17.
Arbeitszwang entsteht allein aus Macht. Anders war das noch nie.
"Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen "dies ist mein" und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege Morde, wieviel Not und Elend und wieviel Schrecken hätte derjenige den Menschen erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: `Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, daß die Früchte allen gehören und die Erde niemandem´." Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit.
Am Freitag, 15. Oktober 2004 19:15 hat Michael Opielka geschrieben:
> Die sozialrevolutionäre und pathetisch-polemische Behauptung, es > handele sich bei der derzeitigen Sozialhilfe und dem künftigen > Arbeitslosengeld um "Zwangsarbeit", ist politischer Unsinn und > nützt der Grundeinkommensidee nicht.
Ich bezweifele, daß man bei Sir Ralf Dahrendorf sozialrevolutionäres Denken und pathetisch-polemische Behauptungen finden kann und empfehle daher die Lektüre seines gesamten Essays:
Um das DASEIN zu kämpfen ist die Tätigkeit des Gladiators. Schreibtischtätigkeiten hingegen dienen der Legitimation unmäßigen SOSEINS. Die Tätigkeitsmoral der ( ( Schreibtisch- ) arbeitsplatz- ) Besitzenden ist das Tarnen und Täuschen. Getarnt werden Ansprüche. Durch Tätigkeit. Und Täuschung ist der ( die Besitzlosen betreffende ) Zwang zur Suche nach Arbeit. Das es zu wenig Arbeitsplätze gibt ist systemimmanent, d.h. es werden Arbeitsplätze fehlen, solange das Privateigentum an Fabriken die Politik diktiert. ES DIENT DIESES Täuschungsmanöver auch gar nicht einer Beschäftigung der Besitzlosen, sondern wieder nur der Rechtfertigung der Besitzenden: Aus der Existenz dieser Kaste der zur-Suche-gezwungenen folgern sie ( die Besitzenden ), das sie ja "Arbeiten müssen" ( präziser wär "müssten" ), und bis vor kurzem ließen sie sich sogar noch vorschreiben, wie lange ( täglich, wöchentlich ) zu "Arbeiten" sei. Aus dem Menschen betreffenden Zwang zur Arbeit wird alltäglich der die Menschen betreffende. Die SOSEINENDEN glauben, indem sie sich einem den Tätigkeitszwang aufrechterhaltenden System unterwerfen, sich quasi schuldlos-unmäßig halten zu können. Der Zwang zur Suche nach Arbeit hier rechtfertige die Unmäßigkeit der Besitzenden da. Zur Unmäßigkeit aber verpflichten Politiker jene, die nicht mehr wissen wohin mit dem Vermögen. Denn der Tag sei nahe, an dem wir uns bedanken müssen, das wir die Schuhe putzen dürfen jener verehrten Neofeudalisten.