Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs".
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Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des
"Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO .
Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste,
Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
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Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird.
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Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet.
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Tobias Teetz

Beiträge: 97

New PostErstellt: 19.12.05, 21:45     Betreff: Re: Der kategorische Imperativ

 

Hallo Bernd,


Dein Text:

wenn Vollbeschäftigung nicht gleich (Voll-)Erwerbstätigkeit ist, kann man mit
HatzIV auch heute vom Bestehen ersterer sprechen. Nimmt nicht sogar der admi-
nistrative Druck auf die Arbeitslosen mit Abstand zum je letzten Kriege immer
(wieder - seit Bestehen der Bürgergesellschaft) zu? Gleich nach dem Krieg ist
der Druck für die Mehrzahl der Menschen so spürbar, daß kaum einer sich der
Arbeit entzieht. Der Druck bleibt gleich, nur sein Sinn nimmt mit der zuneh-
menden Zeit zum letzten Krieg ab.
Andererseits ist Vollbeschäftigung (im Sinne einer Beschäftigung aller danach
Suchenden) auch durch die Verteilung von Werte schöpfender Arbeit denkbar.

Viele Hartz IV Empfänger leisten unbesehen wichtige Arbeiten für unser Gemeinwesen. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist zwischen 1970-2000 gewaltig angewachsen, ebenso die Zahl von Arbeitslosenhilfeempfängern.

Nach den letzten beiden Kriegen (Weltkriegen) gab es meines Wissens nach weniger Lohnarbeitsplätze für Frauen (im Westen waren viele Frauen Hausfrauen, wurden also nicht vom Staat oder von Arbeitgebern einkommensmäßig versorgt, sondern von den lohnarbeitenden Ehemännern).

Eine Vollerwerbsarbeitsgesellschaft für Frauen zwischen 18-65 Jahren gab es damals (im Westen) aufgrund von anderen Familienprioritäten nicht. Auch viele Kriegsbehinderte konnten nicht oder nur in einem geringen Umfang arbeiten, so dass sie sozial und einkommensmäßig mitversorgt werden mußten.

Der Wohlstandsanstieg (im Wohnungsbau, im produzierendem Sektor), trotz des Nichteinsatzes eines Großteils von weiblichen erwerbsfähigen Personen und Kriegsversehrter, war in diesem Zeitraum keinesfalls langsam. Natürlich gab es einen erheblichen gesellschaftlichen Druck auf Männer, Unverheiratete, Witwen für ein ausreichendes Arbeitseinkommen zu sorgen.


Auch durch Zölle, Kapitalabflüsse und fehlerhaftes wirtschaftspolitisches Handeln konnten wirtschaftliche Krisen, verbunden mit Armut, hervorgerufen. So sank beispielsweise das Volkseinkommen Deutschlands zwischen 1929-1932 von umgerechnet 660 €(1929)/Einwohner und Jahr auf umgerechnet 380 €(1932)/Einwohner und Jahr (s. Statistisches Jahrbuch 2003, S. 656). Der Wohlstand sackte ab, die Arbeitslosigkeit und Armut stieg ohne dass es eine kriegerische Verwicklung oder eine bewusste wirtschaftliche Aggression von anderen Staaten gegeben hätte. Wohlstandsminderungen waren auch möglich durch Fehlsteuerungen von Einkommen und Arbeit.

Wenn es keine Arbeit gab, bekamen damals die Arbeitslosen kein Einkommen, konnten sich keine Güter kaufen, die Produktion wurde aufgrund der geringeren Massenkaufkraft weiter gedrosselt, Beschäftigte mußten die Betriebe verlassen usw.. In einer Weltwirtschaft mit schwankenden Wechselkursen, diversen weltweiten Produktionsstandorten, Kapitalbeteiligungen von internationalen Finanzinvestoren sind die Verhältnisse für den Nichtfachmann kompliziert. Es ist heutzutage jedoch eher unwahrscheinlich, dass der gesellschaftliche Wohlstand kurzfristig wegbricht, da eine große Kooperationsbereitschaft zwischen den Industrienationen vorhanden ist und der weltweite Wohlstand eher wachsen als sinken wird, wovon alle Staaten profitieren. Eine falsche und unkoordinierte Festsetzung eines Grundeinkommens könnte jedoch schwerwiegende Folgen für Kapitalströme und damit auch für den Wohlstand haben.


Der hypothetische Imperativ der Arbeitsgesellschaft lautet: „Handle so, dass Du Armut und die dadurch entstehende gesellschaftliche Isolation vermeidest“. Dies bedeutet, dass man sich einen Arbeitsplatz suchen muss, um ein Erwerbseinkommen zu erzielen.

Dies ist ein hypothetischer Imperativ, da nicht alle Personen unbedingt großen Wert auf höheren Wohlstand oder menschliches Glück durch Arbeit legen. Einige Kyniker (gr. kynas=Hund, das deutsche Wort „zynisch“ kommt von der teilweise als menschenverachtenden Redensweise der Kyniker) - wie Diogenes - werden eventuell nur die eigene Bedürfnislosigkeit fordern. Arbeitslose sind Bürger, die weder für sich noch für andere Leistungen erbringen und Verantwortung tragen wollen (so wird der Arbeitslose von Teilen der Öffentlichkeit gesehen).

Bei den vielen ALGII-Empfängern dürfte es sich jedoch kaum um Kyniker handeln, sondern um Bürger, die sehr verzweifelt nach jeder Arbeit und Einkommen nachsuchen. Diese Personen müssen durch ein Grundeinkommen geschützt werden, welches dann auch einen verbesserten Übergang (durch eine Reform des Steuerwesens) in Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht. Für diese Bürger, aber auch für Ehefrauen, die für ihre Kinder da sein wollen, und auch für Bürger die aus sozialen oder Gesundheitsgründen nicht arbeiten können, setzen wir uns hier im Grundeinkommensforum ein.



Das Interesse der eigenen Vernunft vereinigt sich nach Kant in drei Fragen:

  1. Was kann ich wissen ?

  2. Was soll ich tun ?

  3. Was darf ich hoffen ?


Im Interesse der Bürger(-innen), die von Armut und gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt sind, müssen für wir die Zusammenhänge so klar darstellen, damit sie von diesen und von der Öffentlichkeit verstanden und aufgegriffen werden. Das Grundeinkommensforum ist ein Brainstorming Prozess. Wir beschäftigen uns mit Punkt 1. Ständig ändern sich aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so dass Punkt 2 ständig überprüft werden muß und die Hoffnung auf ein Grundeinkommen leider immer noch schwankend ist.


Als ich, vor nun schon 10 Jahren zum Arbeitsverweigerer 'mutierte', war mir
von Seiten der Gesellschaft (in Form des Sozialamtes) dafür sicher alles an-
dere als Lohn und Anerkennung zuteil. Für mich selber bedeutete dieses Ver-
halten aber Pflichterfüllung und damit, selbst wenn meine Ansprüche (immer-
hin die eines damals schon Schwerbehinderten), per Gerichtsbeschluß bestä-
tigt, 'auf Null gekürzt' wurden, Freiheit (nicht Freude).

Natürlich ist die Überwindung des Zwanges zur Arbeit das erste Ziel des Grund-
einkommen, aber wir brauchen (dann) ebenso Handlungsmotive jenseits des Geldes.
Geld verhindert, zumindest mindert, die Einsicht in die Notwendigkeit einer Ar-
beit. Es lenkt den Blick von der Aufgabe selber auf Sekundäres; eben auf das
Geld. Es verführt - das ist ja genau seine, des über das erforderliche, des beG
hinausgehenden Geldes, Aufgabe. Dieses Mehr an Geld ist ja nicht notwendig zur
Erledigung der Aufgaben. Arbeit mit dem Ziel Geld zu verdienen heißt, 'sich in
den Dienst eines niederen Zweckes stellen', heißt sich zu prostituieren.“



Für die 4,7 Millionen ALGII-Empfängern, die 1,8 Millionen ALGI-Empfängern dürfte sowohl das Gefühl der sozialen wie der ökonomischen Ausgegrenztheit eine erhebliche Belastung für das Selbstwertgefühl darstellen. Ich find es richtig skandalös, wenn Du von den Sozialbehörden quasi kein Einkommen erhälst, wer kann denn ohne Einkommen leben ? Und Deine ganze Arbeit hier im Forum war wohl auch niemandem etwas wert ?

Sobald eine Untergrenze beim Einkommen unterschritten wird, kann man, sofern es keine anderen finanziellen Zuwendungen gibt, natürlich nicht mehr frei und selbstbestimmt für etwas arbeiten, einen kranken Menschen betreuen, seine intellektuellen, selbständigen Fertigkeiten verbessern oder seinen zukünftigen Arbeitsplatz frei suchen. Dann muß man dem Zwang des eigenen Überlebens folgend auch staatliche Zwangsarbeit, auch wenn sie nichts mit den eigenen persönlichen Fähigkeiten und Begabungen oder den eigenen Wünschen für ein besseres Gemeinwesen übereinstimmen, annehmen. Ohne ein Mindesteinkommen kann in unserer Gesellschaft niemand überleben. Ohne eigene Einsicht in den Sinn einer Arbeit, die man für sich (durch das Arbeitseinkommen) und für andere (durch den Nutzen den diese Arbeit anderen Menschen zuteil wird) ausführt, kann diese Tätigkeit auch nicht frei sein. Die Freiheit mit den eigenen Kenntnissen, mit der eigenen Einsicht die für mich gegenwärtig sinnvollste Tätigkeit selbst wählen zu dürfen, unter der Beachtung, dass diese Tätigkeit der Gemeinschaft Vorteile bringt und nicht schadet, stellt einen hohen Anspruch an die eigene Freiheit und den kategorischen Imperativ. Viele Bürger brauchen aber auch Anregungen durch gesellschaftliche Eliten: durch Unternehmer, Politiker oder Vereine o.ä. wie sie ihre eigenen Fähigkeiten zum Wohle des Gemeinwesens einsetzen können. Solchen gesellschaftlichen Angeboten sollten sich die Bürger nicht verschließen.

Arbeiten, mit der Absicht Geld zu verdienen, ist nicht verwerflich. Sie bringt Vorteile für den Empfänger der Arbeitsleistung wie auch für den Arbeitenden. Nur Arbeiten, die weder auf der eigenen Einsicht in deren Vorteile für andere Menschen, noch auf Einsicht in die Verbesserung der persönlichen Lage (Zwangs- oder Sklavenarbeit ohne Arbeitseinkommen) basieren, sind schädlich.

Arbeitsentgelte, die leicht über einem Grundeinkommen liegen, könnten durchaus angenommen werden, wenn man durch diese Entlohnung nicht zu einem Ortsumzug, was mitunter zum Verlust von Bekannten, der eigenen Wohnung und Familie führt, gezwungen wird. Bedenkenswert wäre es, wenn man das Gefühl hat, durch einen Arbeitgeber zu einer Form von Zwangsarbeit verpflichtet zu sein, welche im Nettolohn sehr deutlich unter den regulären Nettolöhnen und nur sehr knapp über einem Grundeinkommen liegt.



Mit freundlichen Grüßen



Tobias



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