Graefinjutsch
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Erstellt: 24.11.07, 10:31 Betreff: Re: Grenzgänger |
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Ein Auszug aus dem weltbekannten Ringzyklus:
Böse Omen
Ihr hätte doch gleich klar sein müssen, dass dieser koboldähnliche Alte etwas ganz anderes von ihr wollte, als nur ihre Schuhe. Gerade dabei, den Schnürsenkel des Linken zu entwirren, hielt sie ob jener Erkenntnis nun inne, erhob sich und blickte prüfend in das fremde und überaus faltige Gesicht. Als er dann sprach, verstand sie kein Wort. Es waren eher Aneinanderreihungen von Buchstaben denn komplette Wörter und beim Sprechen zappelte er so merkwürdig herum, hob fast rhythmisch beide Augenbrauen und tippte ihr immer wieder mit seinem Zeigefinger in die rechte Brustwarze. Sie wich nach hinten aus, lehnte nun gegen ihren Einkaufswagen, wendete kurz den Kopf und sah eine junge Frau mit einem Paket Taschentücher telefonieren. Sie schüttelte den Kopf, riss ebensolchen zur anderen Seite, erblickte zwei Perserkatzen, die miteinander Federball spielten und schloss schnell die Augen.
Pscht! Ich habe den Rrrrring…, flüsterte es lüstern in ihr Ohr und sie spürte die alten Hände an ihren Oberarmen herumgrabbeln, immer wieder auch schmerzhaft auf ihre Brüsten einstechend. Jetzt hatte sie ihn wenigstens verstanden, jetzt meinte sie, überdies ein wenig mehr zu verstehen und fasste sich sofort an die blanke, ja fast brennende und neuerdings leere Stelle an ihrem rechten Ringfinger. Aber warum, um Himmels Willen, hatte der Alte ihn, fragte sie sich. Hier auf dem Hinterhof des Aldi-Marktes war sie doch in den letzten Tagen gar nicht gewesen…
Sie blinzelte ein wenig und zwischen ihren Spinnenbeinwimpern hindurch konnte sie das Männchen dicht vor sich sehen, fuchtelnd und hüpfend. Es lachte dabei so gehässig, dass sie sich wieder abwenden musste, ein zwei Schritte zur Seite ging, dann aber unglücklicherweise über ihren offenen Schnürsenkel stolperte, strauchelte und beinahe fiel. Noch unentschlossen, ob das Fallen auf den schmutzigen Teer die einzig sinnvolle Lösung sein mochte, griff sie mit der einen Hand an die sonnenwarme Mauer. Die Steine gaben nach und ihre Hand verschwand in ihnen.
Was war das bloß für ein Tag gewesen, fragte sie sich, während ihr rechter Arm nun schon komplett in der weichen Mauer verschwunden war und das Männchen von der anderen Seite an ihr zu ziehen begann. Die Kassiererin, diese Motzkuh, hatte sie auf einen Kaffee einladen wollen. Doch das Muttermal an der Oberlippe der tippversierten Frau zitterte ein wenig zu auffällig und das alleine war doch schon wieder eines dieser bösen Omen gewesen, die sie schon den ganzen hektischen Tag verfolgt hatten. Keine Zeit, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, war sie Stunde um Stunde von A nach B, von X nach Y gerannt und ihr schütteres Haar hatte dabei im rauen Kleefelder Herbstwind geweht. Ob es die tanzende Ampel oder der sprechende Geldautomat war, alle diese Zeichen deuteten daraufhin, dass es für sie an der Zeit war, etwas zu verändern.
Ob der Zwerg den Schlüssel zum Tor hatte?
Sie hob den Fuß an und ihr Schuh rutschte von ihm ab. Sie stemmte sich nun mit dem Sockenfuß gegen die nachgiebige Wand, lehnte sich bei dem zeternden Alten an, roch sein süßliches Aftershave und wurde müde. So müde wurde sie und ließ sich in die faltigen Arme fallen und diese wurden nun auch weich und nachgiebig und noch nachgiebiger und verschwanden schließlich im Boden des Parkplatzes. Auch die Rollen ihres Einkaufswagens waren schon lange nicht mehr zu sehen. Sie lag nun in der Waagerechten, quer zur wabernden Mauer und von unten sah und hörte sie durch das Wagengitter die Lebensmittel miteinander tuscheln. Es war die Leberwurst, sie war es…. Nein, nein, der Eiersalat ist Schuld….Iwo, liebster Joghurt, es waren die Pilze, sieh nur hin… Sie schloss erneut die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, sah sie in die fragenden Augen ihres Geliebten. Im Schein des Kerzenleuchters lächelte er unsicher, strich ihr mit seiner warmen Hand über die Wange, seine andere hielt ein kleines schwarzes Kästchen und er sagte gerade:
„Und? Willst Du mich nun heiraten?“
[editiert: 24.11.07, 10:33 von Graefinjutsch]
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