Frickibär
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Erstellt: 29.12.05, 07:44 Betreff: "Da ist wieder ein Trend zur Rockmusk"
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"Da ist wieder ein Trend zur Rockmusik" ROCK: Interview mit Jon Bon Jovi über I-Pods, die neue Singles-Kultur und den Nachfolger von Tom Waits
Im Mai sind die US-Erfolgsrocker Bon Jovi wieder in Deutschland zu sehen, gut drei Jahre nach ihrem fulminanten, aber folgenreichen Gastspiel im Sommer 2003. Zur Erinnerung: Angestachelt von der Begeisterung des Publikums überzogen Jon Bon Jovi, Richie Sambora und Co. am 1. Juni 2003 den Zapfenstreich auf dem Mannheimer Maimarktgelände und es hagelte Beschwerden. Deshalb wurde Robbie Williams sechs Wochen später an gleicher Stelle mitten in der Zugabe der Strom abgedreht, was ein stundenlanges Verkehrs-Chaos zur Folge hatte und wohl auch dafür sorgte, dass seitdem die großen Open-Airs anderswo stattfinden. So auch die nächsten Deutschland-Konzerte von Bon Jovi, die unter anderem am Samstag, 27. Mai, auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart zu sehen sind.
Auf dem neuen Album "Have A Nice Day" wimmelt es von grüblerischen Gedanken über die Bush-Regierung, das moderne Amerika und das kurzlebige Show-Biz - ist das die Welt aus den Augen von Jon Bon Jovi?
JON BON JOVI: Es ist eine Art Überblick darüber, wo er die letzten Jahre gesteckt hat. Da gibt es soziopolitische Stücke wie "Have A Nice Day" oder "Welcome To Wherever You Are", persönliche Sachen wie "I Wanna Be Loved" oder "Story Of My Life" und das fiktive, aber trotzdem reale "Last Man Standing". Das ist meine Sichtweise des Musikgeschäfts. Als vor etwa einem Jahr Johnny Cash starb, hielt ich Bob Dylan für den letzten verbliebenen Großen - einen von denen, die man in den Mount Rushmore einmeißeln sollte. Jede Generation hatte ihre Marionetten, aber es gab noch nie so viele Pop-Sternchen, die uns mit derart durchgestyltem Mist bombardiert haben. Das ist unerträglich.
Deswegen heißt es da: "Behaltet euren Pseudo-Punk. . .
BON JOVI: . . . euren Pop-Rock-Mist und eure digitalen Downloads. Genau. Dabei muss ich sagen, dass ich eigentlich ein großer I-Pod-Fan bin. Ganz einfach, weil er dir ermöglicht, dein gesamtes Musikarchiv von Hotel zu Hotel zu tragen. Und das ist ja mein Leben. Aber was mich am Musikkaufen über das Internet stört, ist die Tatsache, dass Leute eigentlich nur noch Singles hören. Das erlebe ich bei meinen eigenen Kindern. Sie bekommen nicht mal mehr B-Seiten, sondern nur noch einen einzigen Song.
Was sind die Auswirkungen dieser Entwicklung?
BON JOVI: Es geht nur um den Profit. Ist das nicht traurig? Wie soll denn unter diesen Umständen irgendjemand ein Buch schreiben oder ein Bild malen, das von einer bestimmten Musik beeinflusst wurde? Woran soll er sich da orientieren? Mann, ich habe früher zum Beispiel Track 7 auf einer Platte gemocht, ganz zu schweigen von Artwork, Liner Notes und dem ganzen Kram. Das ist alles verschwunden. Und die Tatsache, dass ich mir so viel Mühe gebe, ein richtiges Album mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende zu schaffen, wird durch diese Singles-Industrie völlig unterwandert. Deswegen wird die heutige Musik auch keine anderen Kunstformen beeinflussen. Ich hoffe im Sinne der Kultur, dass ich hier falsch liege, aber ich fürchte, ich habe Recht.
Ihre älteste Tochter ist zwölf - was hört sie so?
BON JOVI: Sie ist das Paradebeispiel für dieses neue Konsumverhalten. Meine Kinder hören sich wirklich alles an, was auf dem Markt ist. Und sie haben alles auf ihrem I-Pod. Sie downloaden, als gäbe es kein Morgen. (lacht) Ich habe ihnen meine Kreditkarte gegeben, damit sie Musik kaufen können. Und was muss ich beobachten? Sie haben überhaupt kein Verlangen danach, ein komplettes Album runterzuladen oder einfach mal in einen Plattenladen zu gehen. Für mich war das früher ein kulturelles Erlebnis.
Versuchen Sie, sie in eine bestimmte Richtung zu drängen beziehungsweise ihren Horizont zu erweitern?
BON JOVI: Was meine Kinder betrifft, bin ich zumindest in einer Hinsicht gesegnet: Sie stehen auf eine Menge unterschiedlicher Musik, und sie kennen alles von Elton John über Billy Joel, Paul Simon und Tom Waits bis hin zu Green Day, 50 Cent und Eminem. Zum Glück spielen sie nichts von diesem fürchterlichen Zeug, das den ganzen Tag im Pop-Radio läuft. Ich nenne jetzt keine Namen, aber sie stehen halt nicht auf Boy-Bands, kleine Mädchen und den ganzen Mist. Damit haben sie nichts am Hut.
Sie Glücklicher.
BON JOVI: Ja, aber gleichzeitig verstehen sie unter einer großartigen Rockshow, zu einem Radiosender zu fahren und da zwölf Künstler zu sehen, die alle nur drei Songs bringen. Ganz einfach, weil sie so eine kurze Auffassungsgabe haben, was halt von den ganzen Videospielen und dem Skateboarden kommt. Das ist ganz anders als damals, da wir Kinder waren.
Waren sie schon bei einem Bon-Jovi-Konzert?
BON JOVI: Klar, waren sie bei ein paar Shows, aber das zählt nicht. Ich habe zum Beispiel versucht, sie zu einem Akustik-Gig mitzunehmen, den ich letzten Montag gespielt habe, und da hieß es: "Dad, müssen wir da mit? Dad, bitte nicht!" Danke, Kinder, Daddy weiß eure Begeisterung zu schätzen!
Ist Daddy cool, oder hat er keine Chance gegen Eminem?
BON JOVI: Ich glaube, dass sie wissen, wer wir als Band sind, aber sie sind halt nicht verrückt nach meinen Alben. Wahrscheinlich finden sie die sogar ganz okay, aber es ist nicht so, als würden die Platten ständig Zuhause laufen. Und das neue Album haben sie auch noch nicht..
Inwieweit verfolgen Sie selbst überhaupt noch, was in der aktuellen Musikszene alles passiert?
BON JOVI: Ich bin ein großer Musikfan, und liebe es, wenn ich etwa über einen Damien Rice stolpere, den man eben nicht ständig im Radio hört. Wenn du mich fragst, gibt es in der Rockmusik wieder eine große Verjüngung, von der ich vor zwei Jahren noch befürchtet hatte, dass sie nicht stattfindet. Aber jetzt gibt es Bands wie Jet, The Killers, The Bravery und Louis XIV. Da muss ich einfach sagen: "Klasse, das gefällt mir." Und dann höre ich solche Sachen wie die Foo Fighters, die durchweg toll sind. Weißt du, in diesem Geschäft dreht sich alles im Kreis, und momentan ist da wieder ein offensichtlicher Trend zurück zur Rockmusik. info: Bon Jovi: 27. Mai, Cannstatter Wasen Stuttgart (Karten unter 0800/911 811 711, 62,20 Euro). Das Konzert auf dem Hessentag in Hessisch Lichtenau am 24. Mai ist ausverkauft, Tickets gibt es unter anderem noch für Koblenz (17. Mai).
Also besteht Hoffnung?
BON JOVI: Ja, mir gefällt das. Auch, wenn ich immer noch darauf warte, dass die Welt einen neuen Bob Dylan hervorbringt. Jemanden, der große Protestlieder singt und damit ganze Generationen beeinflusst - statt einfach nur eine nette Rock'-n'-Roll-Platte zu machen, mit der man Spaß haben kann. Dafür ist momentan scheinbar wieder Platz. Ich will den nächsten Tom Waits, und Damien Rice ist wohl derjenige, der ihm am nächsten kommt.
Wie steht es mit Ihnen? Tendieren Sie mit "Have A Nice Day" nicht auch erstmals in Richtung Protest-Songs?
BON JOVI: Der Song "Welcome To Wherever You Are" geht eher in die Richtung. Obwohl: "Have A Nice Day" hat natürlich auch ein soziales Bewusstsein. Selbst, wenn es kein Protestlied ist, hat es doch einen sozialen Anspruch.
Da singen Sie: "We're living in the broken home of hopes and dreams." Ist das das Ende von Amerika, wie wir es kennen - dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten?
BON JOVI: Ich denke, dass das immer noch existiert, du musst in dieser Welt der Strip-Clubs, Einkaufszentren, des Fast Food und der beliebigen Entertainer nur genauer danach suchen. Es ist aber definitiv noch existent. Und es gibt immer noch Leute, die diese Ideale haben - auch wenn unsere Gesellschaft zusehends von einer austauschbaren Pop-Kultur dominiert wird. Und da werden den Paris Hiltons dieser Welt mehr Titelbilder zuteil, als ich sie je bekommen habe. Nicht, dass es dagegen etwas zu sagen gäbe, es ist einfach eine Tatsache.
Das klingt ziemlich verbittert.
BON JOVI: Mag sein, aber eigentlich bemühe ich mich um Optimismus. "Welcome To Wherever You Are" ist zum Beispiel eine offene Einladung. Es handelt von meiner Erfahrung nach der letzten Wahl, eine Situation, wo ich wirklich gefühlt habe, dass dieses Land zunächst einmal darüber hinwegkommen muss, auf welcher Seite man als Individuum steht. Und dass du eben nicht ein verbitterter Verlierer oder ein schlechter Gewinner bist, sondern es einfach weiter geht. Und zwar für jeden. Denn es sind die individuellen Unterschiede, die diese Welt so interessant machen. Ich werde also niemanden kritisieren, weil er republikanisch gewählt hat, und ich für die Demokraten bin.
Warum eigentlich nicht?
BON JOVI: Weil diese Unterschiede doch das sind, was die Welt am Laufen hält, und was sie so toll macht. Damit habe ich kein Problem. Aber ich will nicht, dass jemand verurteilt wird, nur weil er einen Bart trägt und deswegen gleich als Terrorist gilt. Denn das ist Blödsinn. Genau wie die weit verbreitete Ansicht, dass Homosexuelle keine Kinder unterrichten sollten. Deswegen bemühe ich mich um Einigkeit, um Zusammenhalt. Und obwohl ich mit der aktuellen Politik der Regierung nicht übereinstimme, respektiere ich doch a) unsere Truppen und b) das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Denn das ist es, was mein Land gewählt hat, und das ist okay für mich. Ich bin immer noch Amerikaner und Bürger dieser Welt.
Dann wartest du darauf, dass die nächsten vier Jahre vergehen und Hillary Clinton Präsidentin wird?
BON JOVI: Vielleicht wird das Land ja nie in die andere Richtung gehen, wer weiß das schon.
Und was war das für ein Gefühl, vor einer Million Menschen bei "Live 8" in Philadelphia aufzutreten?
BON JOVI: Ich glaube, dass es eigentlich nur 600 000 Leute waren, aber ich kann Ihnen eine lustige Anekdote dazu erzählen: Wir waren an den Stufen des Art Museums von Philadelphia, den Rocky-Stufen, wo er hoch gelaufen ist und sein Ding durchgezogen hat. Da sind wir auf die Bühne gegangen, haben unseren Soundcheck gemacht und waren ziemlich aufgeregt, bei der ganzen Sache dabei zu sein. Aber genau vor der Bühne, keine 50 Meter entfernt, stand diese riesige Bronzestatue von George Washington auf dem Rücken eines Pferdes. Und das blockierte die gesamte Sicht auf die Straße, wo die Leute waren. Insofern war alles, was du gesehen hast, der monströse Hintern dieses Pferdes. Und von daher hatte ich auch nicht das Gefühl, für die Leute zu singen, sondern eher für die TV-Kameras und das Hinterteil von Georges Pferd.
Waren Sie mit den Ergebnissen des G8-Gipfels zufrieden oder wurde er letztlich von den Terroranschlägen in London überschattet?
BON JOVI: Er wurde schon überschattet. Aber ich schätze, die allgemeine Meinung ist, dass wir eben doch einen Eindruck hinterlassen haben, und bei diesem G8-Gipfel sehr wohl auf die Probleme der Menschen in Afrika eingegangen wurde. Und das zu Recht. Denn die Länder da unten brauchen die Hilfe der reicheren Nationen der Welt, die es sich leisten können, Geld zu verleihen und Schulden zu erlassen.
Vor der letzten Wahl haben Sie sich öffentlich für Kerry eingesetzt. Wie kommen Sie mit der politischen Gegenwart klar? Sind die USA wieder im finsteren Mittelalter?
BON JOVI: Von außen sieht das immer ganz anders aus, als von innen. Und hierzulande bekommen die Leute in den Nachrichten ja auch nur eine Sichtweise vorgesetzt. Ich muss sagen, dass ich große Bewunderung für die Männer und Frauen hege, die diesem Land dienen, und an das glauben, was sie tun. Ich habe nämlich nie daran geglaubt, denn eigentlich waren der Grund für die Irak-Invasion ja diese Waffen, die niemand finden konnte. Und Hans Blix hat es klar und deutlich gesagt: "Wir können da nichts feststellen." Trotzdem sind wir einmarschiert. Klar, haben wir dabei einen Diktator entmachtet und Leute befreit, aber auch ein Fass voller Würmer geöffnet, das sich so schnell nicht wieder schließen lässt. Doch obwohl ich das sage, halte ich die USA immer noch für einen wunderbaren Ort mit tollen Menschen. Und ich liebe die Ideale, auf denen er errichtet wurde. Keine Gesellschaft ist perfekt - nirgendwo! Marcel Anders
© Mannheimer Morgen - 29.12.2005
Quelle: www.morgenweb.de
"die Mundart is en geile Beat, wie Dynamit so explosiv..." (Christian "Chako" Habekost - "2 Mann und Xavier Naidoo")
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