Romanov setzt sich auf einen Stuhl und legt die Hände aneinander, um sich zu konzentrieren.
,,Ich
habe Euch eine Geschichte aus meiner Heimat versprochen..." sagt er in
dem rauhen, dallmarkischen Akzent.,,...und es gibt wohl keine passendere
und dem Anlass gebührendere als das Heldenlied. Ihr fragt euch, was
damals geschah. Diese Geschichte gibt euch unsere Antwort. Ich werde nur
eine kurze Variante erzählen, denn es scheint mir, dass Steinbrücktaler
keinen Sinn für die langatmige Version haben würden. Normalerweise
würde die Geschichte von Gesang und Theater begleitet werden und
schwankt in der Dauer von einem zu zwei Tagen, mit Pausen
natürlich...Nun, hier die kurze Variante.."
Und er begann zu erzählen.
So, höret, ihr, die ihr da vor mir stehet, eine Geschicht
von einem Jemand, der da stammte aus der Zeit, als es noch Helden gab und der
da lebte unter Niemanden, denn keiner vermocht und vermag es noch, sich seiner
Größe zu messen.
Groß ward das Dallmarkische Reich und Gold und Stein, Holz
und Erdblut waren kein Selten Ding gewesen und unser Volk lebte und starb in
Stolz und Ehre. Niemals wieder sollt es diese Tage wiedergeben bis zu jener
Zeit, an der wir unsere Bestimmung wieder aufnehmen werden. Das Volk ward
glücklich und stark und unser Reich erstreckte sich vom nördlichsten Rand des
Eismeers von Skarov bis zum Süden der Tangaia-Ebene, im Westen von den Grenzen
jenes Land, das nun Steinbrücktal genannt wird, und damals Orkenreich war, bis
zum Osten, wo die Nadel dem Laube weicht.
Weder Orks noch Bär noch Skarovit mussten wir fürchten und
jene Wesen und Menschen verkrochen sich in dunkle Höhlen oder knieten vor dem
Throne der Mark hernieder. Denn zu jener Zeit saß der Großbovar noch auf dem
Throne und sein Name ward geheißen: Gravrich der 27.te, Sohn von Bovnorov, der
aus dem Hause Ghyda stammte, dem auch Alaglynda, die Tochter von Lokunov, und
damalige Bovarin der Ghydask, einer Bovarask auf der südöstlichen Seite der
Dall vor dem Kaltwacht-Gebirge, entstammte. Machtvoll und lobwürdig war Gravrich, denn seine Weisheit
und sein Können zur Herrschaft, sowie sein Umgang mit der Axt waren tadellos.
Unter seiner Führung waren neue Minen gebaut, neue Türme im Osten geschaffen
und Nahrung unter dem Volke verteilt, denn Handel und Kolonien brachten dem
Reiche genügend an Reichtum ein. Die Skaroviten waren seit Jahrzehnten unter
unserer Herrschaft, so lang, dass es keinen einzigen Häuptling gab, der noch
den Mut zum Aufstand hatte und etliche andere wilde Stämme waren unter dem
Banner des Dallmarkischen Großreiches vereint und kämpften im Osten weiter an
den Grenzen für uns und die Erweiterung unseres Territoriums.
So ward nun das Großreich in all seiner Pracht und herrlich
schien der Schnee zu jener Zeit und glorreich waren die Siege, die einer nach
dem anderen an der Ost-Grenze errungen wurden. Doch wo in der Mark Ehre und Ruhm im Kampfe geboren waren, wo in der
Mark Reichtum, sowohl materiell als auch geistlich und seelisch, im Übermaß vorhanden
waren, so ward der Westen verkommen und bar jeder Glorie. König Burkhard errang
sich den Sieg im blutigem Gemetzel, wo er seine Männer opferte um nur einen Fuß
Land zu sichern, sie in den Tod schickte, als er sie gegen die Horden der Orks
anrennen ließ ohne jedwede Vernunft noch Plan. Er vermochte sich Triumph
anschreiben zu lassen, indem er den Orkenhäuptling töten ließ, was den
Schwarzblütern schon immer den Grund zur Flucht gab, doch ward dieser Plan nur
während der Schlacht geschmiedet und aus der Not gemacht, dass ihm die Männer
ausgingen, die noch für ihn kämpfen wollten oder des Kampfes fähig waren.
So ward Steinbrücktal geboren, der kleine und dreckige
Bruder des Großreiches, wie ihn jeder schon kennt und kannte. Großmäulig und
verzogen, aufgewachsen in Dreck und ohne jedwede Scham und Anstand, saßen der
König und seine Mannen in Burgen, gebaut aus dem Überresten der Orks und dem
Mist ihres Viehs und diskutierten über die Zukunft ihres Landes. Doch wo immer
sie sich in ihren Träumen von Macht und Gold hingaben, überkam sie jenes
ekelhafte Gefühl von Habgier und Neid, denn sie wussten in ihren Herzen, dass
sie niemals jenen Glanz haben würden, denn das Großreich innehatte. Und so
erkoren ihre verdrehten und gemarterten Köpfe furchtbare und furchtbarste Dinge
und es entstieg ihnen der Plan, das Großreich zu stürzen. Schnell und rasch
schickte der König seine Männer aus, die die versprengten Heere der Orks nach
Osten trieben, während andere seiner Mannen die spärlich besetzten Grenzwachen
des Reiches hinterrücks ermordeten, um den Orks so den Weg durch die nun
unbewachte Hintertür in die Mark frei zu machen.
Und unter den Klingen und Klauen, den Hauern und Keulen der
Orks kamen die Menschen der Westmark um, während ihre Heime brannten und durch
das ganze Land zog sich ein endloser Schrei von Schmerz und Verlust. Die
Skaroviten, von jeher ein Volke ohne Regeln und voller Kriegslust ,lange unter
der Macht der Mark gebannt, sahen die Gelegenheit und erhoben ihre Äxte gegen
die kämpfenden Männer im Osten und Norden. So waren die Heere des Großreiches
zerstört und zersprengt und kein Hoffnung hielt Bestand, als die Orks immer
weiter nach Osten drangen. Halshyask und Lerisk fielen, noch ehe der erste
Schnee fiel, denn der Winter stand bevor, und die Orks standen nun beinah vor
der Jogryurl-Brücke, die über die Dall führte.
Alaglynda von Ghyda hörte dies Nachricht , denn der
westliche Teil der Ghydask grenzt an den südlichen Teil der Dall und damit der
Jogryurl-Brücke, und sie traf die ehrbarste und doch traurigste aller
Entscheidungen. Zu verlassen ihr eigen Land und zu retten das ihr vertraute
Volke. Hab und Gut wurde gepackt, Alte und Kranke verladen und Eile ward
geboten, im Gesichte der nahenden Heere.
Unter den Männern von Alaglynda stach nun einer hervor.
Garik Vovoric ward sein Name und obgleich er vom einfachen Blute war, liebte er
Alaglynda und auch sie liebte ihn, doch ward es ihnen verboten sich die Bünde
zu schwören. Als Vovoric nun den Aufbruch sah, schmerzte ihm das Herz und
zerbrach ihm die Brust, denn niemals wollte er das Land seiner Herrin und das
Land der Mark beschmutzt sehen von den Füßen der Orks. Und er bat Alaglynda
zurückbleiben zu dürfen, um für dies Land, für das ihm urtiefste und ureigenste
Gefühl zu kämpfen, allein und ohne Hilf, denn auch wenn er bleiben wollte, so
sollten die, die er liebt, nicht leiden müssen. Und Alaglynda sah ihn und
erkannte ihn und gewährte es ihm.
Und in dieser Stund, als die Mark zu fallen drohte und alles
brannte und der nächste Tag nicht gewiss war, bot sie ihm einen Kuss an, denn
Moral und Gesetz hatten kein Bestand mehr und in ihrem Herzen war so viel Liebe
zu Vovoric.
Und er kniete vor ihr und sprach:
,,Ich knie vor Euch, meine Herrin, und bat für Euch ,die ich
liebe, zu kämpfen, und ihr verspracht mir einen Kuss. So küsst mich denn, doch
nicht den Mund, denn ich bin weder Gatte noch Liebhaber. Küsst mir das Schwert,
denn als solches will ich hier bleiben und kämpfen. "
Und sie küsste ihm das Schwert und dies soll eingehen als der ,,Schwertkuss", jene Praktik,
die auch heute noch liebende Frauen vollziehen, wenn ihre Liebsten in die
Schlacht ziehen.
So schieden Alaglynda und Vovoric von einander und sollten
sich erst am Ende und am Anfang wieder begegnen. Wo Alaglynda nun nach Osten
ging, hin zu den Grenzen der Mark, rannte Vovoric nach Westen, denn kein Pferd
vermochte es schneller zu laufen als er. Doch Vovoric ward von solchem Gemüt
und er ward so schnell, dass er das Heer der Orks im Norden umging und
Steinbrücktal betrat, denn er wollte den König jenes Landes um Hilfe bitten,
denn er sah in jedem Menschen Freundschaft und Liebe, unwissend dass es
Steinbrücktal war, die die nun kommenden Jahre der Trauer eingeleitet hatte.
Und so wurde er vor den König gelassen, denn kein Mann
vermochte es sich ihm zu widersetzen, denn seine Statur und Gestalt ward so,
dass es den Wachen des Königs war, als ob ein Menschgewordener Schneesturm vor
ihnen stand, gleich in Gewalt und Kraft und Schönheit, so dass sie sich vor ihm
niederwarfen. Nun stand er vor dem König und Vovoric, jener Mann, der so
heroisch, so tugendhaft, so stark war, kniete vor ihm und flehte um Hilfe.
Der König saß nun da, in seinem Throne, und sah den vor ihm
knieenden, weinenden Mann an.
Doch wo ihm Mitleid und Güte emporsteigen hätten sollen, war
in ihm nur unglaublicher Hass und Neid, denn selbst kniend und mit dem Gesichte
von Tränen überströmt, ward Vovoric noch so königlich, dass es Burkhard
blendete und er das Gesicht abwenden musste, während er sprach:
,,Nimmer! Niemals soll mein Volke dem deinem zur Hilfe
kommen und niemals soll Freundschaft
zwischen den unseren herrschen. Tod und Verfall soll über euch kommen und der
Osten dem Westen weichen!"
Vovoric erhob sich da und ohne ein Wort zu sagen, verließ er die Halle des
Königs, denn er musste, nun ganz allein, sich dem Heere stellen und im seinem
Innersten ward ihm bewusst, dass er sterben würde.
Er rannte nach Osten und kam zur Jogryurl-Brücke, knapp
bevor die Orks sie erreichten. Und als er durch eine Schlucht ging, sah er eine
Gestalt, gehüllt in abgetragenen Kleidern und klirrend und klingelnd, voller
Artefakte und Schellen. Ein junges Mädchen, vielleicht gerade von 4 Wintern
stand vor ihm, doch er wusste, wer sie war, denn aus ihren Augen sprach die
Weisheit und das Alter von Jahrtausenden.
Und die Alte Krämerin sprach den Spruch, der von nun an in
alle Zeit das Schicksal der Dallmark mit der Blutlinie derer von Vovoric
verflechten sollte und dem Blute von Vovoric die Macht des Landes selbst geben
sollte.
,,Stark bist du, doch stärker musst du sein. Kraft von Erde
ist dir nun gegeben. Kalt soll dein Zorn sein wie der Schneesturm. Macht über
Tier, Land und