Cora Wilson
Cora schlich durch die Gänge. Es war ihr klar, dass nie jemand hinter ihr herschleichen würde. Sie war zu unheimlich, zu seltsam und verquer. Und dennoch hatte sie immer diese Angst, ihr würde gleich etwas passieren. Gerade stand sie vor der nächsten Ecke, die sie umrunden musste, um endlich in die Große Halle zu kommen. Sie blieb stehen, zog mit einer Bewegung ihrer kleinen, blassen Hand einen Spiegel aus der Tasche und schielte damit um die Ecke. Sie hatte gelesen, dass vor Jahren eine Schülerin so dem Tod durch den Blick eines Basilisken entgangen war. Wer wusste nicht, ob schon wieder eines dieser Tiere frei herumlief?
Aber als sie nichts sah und auch keine unheimlichen Laute hörte, wurde sie kurz ruhiger. Sie blickte hinter sich, neben sich, hielt sich an der Mauer vor sich fest und zog sich langsam um die Ecke. Da stand sie schon vor den Treppen der Eingangshalle, die genau vor die Tür der Großen Halle führten. Ein prüfender Blick, ob etwas auf der Treppe lag, das sie zum stolpern bringen sollte und schon schlich sie weiter ihren Weg entlang zur Großen Halle. Jeremiah Snape war ihr heute noch nicht zu Gesicht gekommen. Es irritierte sie und Cora fühlte sich sogar etwas kraftlos. Wo konnte er sein, ihre Energiequelle? Sie hoffte, er würde schon essen. Die Große Halle war ihre letzte Anlaufstelle. Wenn er nicht hier war, musste Cora sich etwas anderes einfallen lassen, um ihn zu finden.
Doch sie betrat die Halle und sofort sah sie ihn. Jeremiah Snape saß da, las ein Buch und war – wie immer – alleine. Nur diese dunkle Aura umgab ihn, die sie so beeindruckt hatte. Cora duckte sich sofort und kroch auf Knien zum Slytherintisch. Dass sie dabei von vielen misstrauisch beäugt wurde bemerkte Cora nicht. Sie war bei einer Bank angekommen und machte sich kleiner, als sie ohnehin schon war. Zusammengekauert saß sie da, ihre Tasche an sich gepresst, und starrte auf Jeremiah. Was las er da? Wieso interessierte es Cora? Langsam kroch sie näher an ihn heran, darauf achtend, dass er sie nicht bemerkte. Er sollte sie nicht sehen. Als sie erkannte, was er las, schüttelte sie den Kopf. Ein Schulbuch. Hatte er nichts Besseres zu tun? Aber er las ohnehin permanent. Warum also nicht zur Abwechslung ein Schulbuch? Cora seufzte stumm, drehte sich in ihrer Hocke herum und schlich quer durch die Halle zum Hufflepufftisch. Erst, als sie an einem Platz angekommen war, von dem aus sie Jeremiah gut beobachten konnte, richtete sie sich auf und setzte sich wie alle anderen normal auf den Stuhl. Sie hatte keinen Hunger. Aber sie würde in der Nacht sicher etwas essen wollen, weshalb sie sich jetzt schon einige Dinge zurechtlegte, um sie einzupacken.
„Hey, Cat… Ich hab einen Auftrag für dich. Hast du heute Nacht Zeit?“
Coras Augen richteten sich langsam auf die Mitschülerin, die sie gerade angesprochen hatte. Es war ein Mädchen, einen Jahrgang über ihr. Immer wieder wollte sie irgendwelche lächerlichen Aufgaben an Cora geben. Doch heute nicht. Sie hatte etwas vor. Gefühllos wandte sich Cora ab und packte weiterhin irgendwelches Essen in ihre Tasche.
„Nein.“, war alles, was Cora dazu sagte. Wenigstens war dieses Mädchen inzwischen klug genug, sich wieder zu verabschieden, wenn Cora eine Antwort gegeben hatte. Cora hasste ihren Spitznamen. Cat… Wie kamen diese Menschen darauf sie mit einer Katze zu vergleichen?
Heute Nacht würde Cora vor dem Slytherin Gemeinschaftsraum schlafen. Sie wollte sehen wann Jeremiah aufstand und den Raum verließ und wann er schlafen ging. Vielleicht konnte sie sogar mit ihm sprechen… Oder sollte sie sofort zu ihm gehen?
Coras Blick ruhte auf Jeremiah, während sie wahllos irgendwelche Dinge vom Tisch einpackte. Was sollte sie ihm sagen? Sie wollte nicht Grundlos mit ihm sprechen. Das mochte er sicher nicht. Oder doch?
Cora seufzte, schlug ihre Tasche zu und blieb weiterhin auf Jeremiah starrend sitzen. Heute wollte sie ihn nicht mehr aus den Augen verlieren…