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editiert durch I. Schumacher: das Urteil ist nicht rechtskräftig
AMTSGERICHT WURZBURG
97072 Würzburg, 23. Juni 2004
003 F 00068/04
In Sachen
Ingo Nawrath, Erwin-Behn-Str. 2, 25712 Burg (Dithmarschen),
- Antragsteller gegen Kindesmutter, xxxxxxxx, xxxxxxxxxxxxx,
- Antragsgegnerin -
wegen elterlicher Sorge
erläßt das Amtsgericht-Familiengericht Würzburg durch den Richter am Amtsgericht Nebauer auf Grund der Anhörung der Eltern und des Kindes folgenden
Beschluss
1. Der Antrag des Antragstellers und Vaters auf Ersetzung der Sorgeerklärung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten (Gerichtsge
bühr) zu tragen; außergerichtliche Auslagen haben sich
die Beteiligten nicht zu erstatten.
3. Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 3.000,00 Euro.
Gründe
Die Parteien sind die Eltern des Kindes J. L. W., geb. xx.xx.1994. Nach der Geburt des Kindes haben die Eltern mehrere Monate zusammengelebt und haben sich anschließend getrennt. Die Eltern waren und sind nicht verheiratet. Seit der Trennung befindet sich das Kind bei der Mutter. Diese hat die alleinige elterliche Sorge.
003 F 00068/04
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Es waren bereits mehrere gerichtliche Verfahren anhängig, insbesondere bezüglich Umgangsregelung und auch ein Verfahren auf Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. In den Vorverfahren wurden Sachverständigengutachten erholt. Auf den Inhalt der Vorverfahren ( 3 F 325/02 sowie 3 F 1608/00) wird Bezug genommen. Im ebenfalls derzeit anhängigen Verfahren 3 F 132/04 wurde mit Beschluß der Umgang geregelt. In diesem Verfahren wurde dem Kind eine Verfahrenspflegerin bestellt. Auch auf diesen Akteninhalt wird Bezug genommen.
Auf Grund des Gesetzes zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 13.12.2003 (Bundesgesetzblatt 2003 Teil l, Nr. 61, Seite 2547) stellt der Antragsteller und Vater nun den Antrag, die Sorgeerklärung der Antragsgegnerin und Mutter nach § 1626 a Abs. l Nr. l BGB zu ersetzen (Artikel 224 § 2 EGBGB).
Es wurden folgende Ermittlungen durchgeführt: beide Eltern wurden ausführlich angehört, auch das Kind (gemeinsam mit dem Verfahren 3 F 132/04) . Die Erkenntnisse aus den Vorverfahren und dem Paralellverfahren 3 F 132/04 wurden berücksichtigt .
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen kann dem Antrag des Vaters nicht entsprochen werden. Die Sorgeerklärung ist zu ersetzen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die gemeinsame elterliche Sorge dient dann nicht dem Kindeswohl, wenn bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben wäre. Dies ist vorliegend der Fall.
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Das Argument des Antragstellers, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen am Besten entspricht, ist zwar sicherlich grundsätzlich richtig. Die Reform des Kindschaftsrechts macht auch den Willen des Gesetzgebers deutlich, dass die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern zu fördern ist. Sowohl der Gesetzgeber als auch die obergerichtliche Rechtsprechung gehen jedoch davon aus, dass hierfür ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern erforderlich ist. Im vorliegenden Fall fehlt jedoch ein Mindestmaß an Kooperationsmöglichkeit und Kooperationsfähigkeit der Eltern. Die Eltern sind so zerstritten, dass eine gemeinsame Entscheidung über Belange des Kindes praktisch nicht denkbar ist. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in einer Entscheidung vom 18.12.2003 (siehe FAMRZ 2004, Heft 3, Seite IX) davon aus, dass die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt, es erfordert deshalb ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Der gemeinsamen elterlichen Sorge ist grundsätzlich gegenüber der alleinigen Sorge von Verfassungswegen kein Vorrang einzuräumen. Auch der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 11.02.2004 (siehe FAMRZ 2004, Seite 802 unter II.2. b cc) deutlich gemacht, dass für eine gemeinsame elterliche Sorge ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft der Eltern erforderlich ist.
Das Gericht hat die Eltern in mehreren persönlichen Anhörungen als sehr zerstritten erlebt. Insbesondere in Verfahren 3 F 132/04 waren die Eltern nicht fähig, auch nur einen strittigen Punkt über den Umgang einvernehmlich zu regeln. Es entstand im Termin der Eindruck, dass ein Elternteil dann eine andere Meinung vertreten hat, wenn der andere Elternteil bezüglich Umgang einen bestimmten Vorschlag gemacht hat. Trotz zahlreicher Vermittlungsbemühungen des Gerichtes in mehreren Verfahren, von 2 Sachverständigen, die im Vorverfahren beauftragt waren, von 2 Verfahrenspflegern, die bereits dem Kind bestellt waren sowie dem Jugendamt ist es nicht gelungen, die Eltern auf ihre Verantwortung dem Kind gegenüber hinzuweisen und sie dazu zu bewegen, im Interesse des Kindes wieder zu einem vernünftigen Miteinander zu kommen.
Das gemäß § 49 a FGG beteiligte Jugendamt hat Stellung genommen. In der Stellungnahme vom 29.03.2004 wird eine gemeinsame elterliche Sorge für nicht sachdienlich gehalten und darauf hingewiesen, dass die Eltern wegen ihres Streites eine gemeinsame Verantwortung für das Kind nicht tragen können.
003 F 00068/04
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Der Streit der Eltern ist durch mehrere gerichtliche Verfahren auf Regelung des Umganges, sowie insbesondere auch durch den Vorwurf der Mutter, der Vater habe das Kind sexuell missbraucht, sehr tief und derzeit unüberbrückbar. So sind und waren die Eltern noch nicht einmal fähig, die Frage einvernehmlich zu regeln, welches Gepäck das Kind bei dem Umgang mitnehmen darf! Bei dem derzeitigen Streitverhalten der Eltern ist eine gemeinsame elterliche Sorge im Sinne des Kindeswohles nicht vertretbar.
Es ist zwar der Argumentation der Antragstellerseite zuzugeben, dass es eventuell ein Elternteil durch ständige Verursachung von Streit in der Hand hat, ob es zu einer gemeinsamen elterlichen Sorge kommt oder verbleibt. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Nach Auffassung des Gerichts sind beide Elternteile in etwa gleichwertig ursächlich für den entstandenen Streit. Beide Elternteile sind nicht bereit, sich mit dem anderen Elternteil zu arrangieren und wieder aufeinander zuzugehen. Aus den zahlreichen Vorverfahren kann nicht geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin und Mutter alleine, bewusst und treuwidrig den Streit verursacht hat.
Die Ersetzung der Sorgeerklärung, damit die gemeinsame elterliche Sorge, wird im konkreten Fall auch nicht dazu führen, dass die Kommunikation der Eltern und die Kooperation der Eltern positiv beeinflusst wird. Die Eltern sind derzeit nicht fähig, irgendeine Entscheidung für ihr Kind verantwortlich gemeinsam zu entscheiden.
Bei dieser Entscheidung übersieht das Gericht nicht, dass das Kind auch einen sehr guten Bezug zum Antragsteller und Vater hat. Der Antragsteller und Vater ist auch durchaus erziehungsfähig und könnte auch die Verantwortung für das Kind übernehmen. Auf Grund des derzeitigen Streites der Eltern könnte dies aber nur denkbar sein durch eine alleinige elterliche Sorge des Antragstellers und Vaters. Die Alleinsorge des Vaters ist hier jedoch nicht streitgegenständlich, auf Grund d er bisherigen Sachlage auch nicht
veranlasst (es besteht derzeit keinen Grund, der Antragsgegnerin und Mutter gemäß § 1666 BGB die elterliche Sorge zu nehmen und den Antragsteller als Vormund für das Kind zu bestellen).
Die Sorgeerklärung der Antragsgegnerin kann deshalb nicht ersetzt werden mit dem Ziel einer gemeinsamen elterlichen Sorge, obwohl beide Elternteile einen sehr guten Bezug zu ihrem Kind haben und sicherlich beide Elternteile gleichwertig Erziehungsfähig sind.
003 F 00068/04
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Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 2 Kostenordnung waren dem Antragsteller die Gerichtskosten (es sind nur Gerichtsgebühren entstanden) aufzuerlegen. Die Gerichtsgebühren sind auf Antrag des Antragstellers entstanden, der Antrag war wegen des Streites der Eltern von vorneherein nicht besonders erfolgversprechend. Es wäre unbillig, die Antragsgegnerin mit Gerichtskosten zu belasten. Allerdings bestand keine Veranlassung, gemäß § 13 a FGG einen Beteiligten mit den außergerichtlichen Kosten eines anderen Beteiligten zu belasten, zumal beide Parteien nicht durch einen Anwalt vertreten waren.
N.
Richter am Amtsgericht
[editiert: 02.07.04, 20:39 von Ingrid]