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OLG Rostock: Entzug eines Teilbereichs der elterlichen Sorge bei verweigerter Zustimmung zur Begutachtung des Kindes
NJW 2007 Heft 4 231
Entzug eines Teilbereichs der elterlichen Sorge bei verweigerter Zustimmung zur Begutachtung des Kindes BGB §§ 1666, 1684 II, 1909, 1915, 1916; FGG § 12
1. Wenn der sorgeberechtigter Elternteil im gerichtlichen Umgangsverfahren ohne sachlichen Grund die Begutachtung des Kindes verweigert, kann ihm dieser Teilbereich der Sorge gem. § 1666 BGB entzogen und auf einen Pfleger übertragen werden.
2. Um die Begutachtung durchzusetzen, kann der Gerichtsvollzieher beauftragt werden, notfalls unter Anwendung von Gewalt, das Kind der Kindesmutter wegzunehmen und dem Pfleger zu übergeben.
3. Der sorgeberechtigte Elternteil hat gem. § 1684 II BGB Kontakte des Kindes zu dem anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern positiv zu fördern.
OLG Rostock, Beschluß vom 20. 4. 2006 - 11 UF 57/01
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind die Eltern des 1997 außerehelich geborenen gemeinsamen Kindes L. Sie haben in der Zeit zwischen April 1997 und Juni 1998 zusammengelebt. Am 29. 6. 1998 hat sich die Kindesmutter von dem Kindesvater getrennt. Seitdem streiten die Parteien um das Umgangsrecht des Kindesvaters mit dem Kind, zunächst außergerichtlich, im Weiteren gerichtlich. Auf einen ersten Antrag des Kindesvaters haben die Parteien am 2. 8. 1999 vor dem AG eine Vereinbarung dahin geschlossen, dass der Kindesvater berechtigt ist, jeden Sonntag in der Zeit von 14 bis 18 Uhr das Kind zu sich zu nehmen. Ohne Information des Kindesvaters ist die Kindesmutter Anfang November 1999 mit dem Kind nach S. verzogen. Seitdem gewährt sie dem Kindesvater keinen Umgang mehr. Dies und die Nichtdurchführbarkeit des Umgangs gemäß der getroffenen Vereinbarung infolge des Umzugs der Kindesmutter nach S. veranlasste den Kindesvater, eine Neuregelung des Umgangs zu beantragen.
Das AG - FamG - hat nach Anhörung der Parteien, Beiziehung von Stellungnahmen des Jugendamtes der Stadt S. unter Einbeziehung einer Zuarbeit des Jugendamtes des Kreises W., Anhörung der Vertreterin des Jugendamtes sowie der Mitarbeiterin der Beratungsstelle Sozialmanagement in S., zuständig für die Betreuung von Opfern von Sexualstraftaten, Einholung eines Sachverständigengutachtens, erstellt von der Medizinische Fakultät der Universität R., und ergänzender Anhörung des Gutachters mit Beschluss vom 14. 2. 2001 in Abänderung der vor dem AG geschlossenen Vereinbarung der Parteien, dem Kindesvater das Recht eingeräumt, Umgang mit dem minderjährigen Kind L zu pflegen, wobei es zunächst begleitete Umgangskontakte geregelt hat. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das AG - FamG - insbesondere darauf verwiesen, dass sich der Verdacht der Kindesmutter hinsichtlich eines sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den Vater nicht bestätigt habe, so dass einer Gewährung des Umgangsrechts für den Kindesvater nichts im Wege stehe. Soweit das AG - FamG - zunächst begleiteten Umgang geregelt hat, war es hier der Annahme, dass in dem Zeitraum des erstinstanzlichen Verfahrens ein Ermittlungsverfahren gegen den Kindesvater eingeleitet und nicht abgeschlossen war. Tatsächlich hatte aber der Kindesvater wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat sowie des Prozessbetrugs Anzeige gegen die Kindesmutter erstattet.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat die Kindesmutter befristete Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Kindesvaters auf Abänderung des Umgangs abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung allein auf dem Gutachten vom 14. 7. 2000 beruhe, dieses Gutachten jedoch nicht die wissenschaftlichen Voraussetzungen für ein verwertbares psychologisches Gutachten erfülle. Nur ein weiteres Sachverständigengutachten, das anhand eindeutiger Untersuchungskriterien von einem unvoreingenommenen Gutachter erstellt werden müsse, könne zur Grundlage einer erneuten Entscheidung genommen werden. Ein zweites Gutachten sei zudem notwendig, da L jetzt auf Grund des Zeitablaufs bereits besser in der Lage sei, ihre Gedanken und Gefühle zu artikulieren.
Der Kindesvater begehrt die Zurückweisung der Beschwerde der Kindesmutter und zugleich eine Erweiterung des Umgangs dahin, dass dieser nicht in begleiteter Form vorzunehmen ist und im Weiteren auf zwei Tage im Monat erweitert wird. Er verweist darauf, dass es sich bei dem Vorbringen der Kindesmutter um Vorgänge handele, die nicht das Kind erzähle, sondern um solche, welche die Kindesmutter erfinde und konstruiere. Die Verfahrensweise der Kindesmutter sei allein darauf abgestellt, den Umgang seinerseits mit dem Kind grundsätzlich zu unterbinden und das Wohl dadurch und durch ihren schädlichen Einfluss auf das Kind bewusst in höchstem Maße zu gefährden.
Der Senat hat im Ergebnis eines ersten Anhörungstermins am 12. 11. 2001 dem Kind L einen Verfahrenspfleger bestellt und erneut eine familienpsychologische Begutachtung, nunmehr durch eine Sachverständige, angeordnet.
Die Ast. verweigerte dem bestellten Verfahrenspfleger einen Kontakt mit dem Kind, entzog sich und das Kind der angeordneten erneuten Begutachtung und kam auch der weiteren Aufforderung des Senats, ihre neue Anschrift mitzuteilen, nicht nach.
Im Ergebnis der mehrfachen Anhörung der Kindeseltern, der Vertreterin des Jugendamts, des Verfahrenspflegers und darüber hinaus des Kindes L durch die Berichterstatterin sowie Beweiserhebung durch Anhörung der sachverständigen Zeugin, Analytische Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, hat der Senat mit Beschluss vom 28. 1. 2004 den persönlichen Umgang des Ag. mit seiner Tochter L bis zum 31. 12. 2007 ausgeschlossen und die Kindesmutter verpflichtet, unter Angabe ihrer jeweiligen Wohnanschrift dem Kindesvater jährlich im Februar und Juli, beginnend im Februar 2004, über die Entwicklung des Kindes schriftlich zu berichten sowie ab Februar 2005 Zeugniskopien des Kindes beizufügen.
Der Senat hat seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass er zu der Überzeugung gelangt sei, dass derzeit eine Durchsetzung des Umgangsrechts dem Wohle des Kindes L widerspreche und deshalb zeitlich begrenzt auszuschließen sei. Mit der zwangsweisen Herbeiführung von Umgangskontakten zum Vater würde in die Mutter-Kind-Beziehung eingegriffen werden, weil eine Einflussnahme der Mutter auf das Kind insbesondere hinsichtlich ihrer Erwartung gegenüber dem Kind, den Kindesvater abzulehnen, nicht ausgeschlossen werden könne. Auch wenn der Senat von der Behauptung der Kindesmutter hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den Kindesvater ebenso wie das AG - FamG - nicht überzeugt sei, lasse das derzeit zwischen den Eltern bestehende Verhältnis eine Durchsetzung der Kontakte zwischen Vater und Tochter nicht zu.
Diese Entscheidung wurde auf die Verfassungsbeschwerde des Kindesvaters mit Beschluss des BVerfG vom 9. 6. 2004 aufgehoben, weil die angegriffene Entscheidung den Bf. in seinem Elternrecht aus Art. 6 II 2 GG verletze (BVerfG, FPR 2004, 611). Das OLG habe bei seiner Entscheidung maßgeblich auf die ablehnende Haltung der Kindesmutter abgestellt, ohne aber die Belange des Kindes und das Elternrecht des Kindesvaters hinreichend zu berücksichtigen. Der Senat habe auch nicht erwogen, dass das Verhalten der Mutter das Wohl des Kindes womöglich gefährden könnte. Ebensowenig habe er erörtert, welche positiven Auswirkungen Umgangskontakte für das Kind haben könnten. Er habe sich zudem auch nicht mit der gem. Art. 6 II GG gebotenen Frage befasst, welche Konsequenzen aus der Weigerung der Kindesmutter an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, für das weitere Verfahren zu ziehen seien.
Nach erneuter Anhörung der Beteiligten am 3. 11. 2004 sowie des Kindes L am 19. 11. 2004 hat der Senat an seiner Beschlussfassung vom 19. 3. 2003 zur Einholung eines Sachverständigengutachtens durch eine Diplompsychologin festgehalten und zudem das für den Wohnsitz des Kindes zuständige Jugendamt in N. gebeten, eine aktuelle Stellungnahme zur Sache zu erarbeiten. Den daraufhin eingereichten Befangenheitsantrag der Kindesmutter gegen die Sachverständige hat der Senat mit Beschluss vom 8. 4. 2005 verworfen. Da die Kindesmutter der Sachverständigen gleichwohl mitgeteilt hat, dass sie sich (und das Kind) auf keinen Fall von ihr begutachten lassen werde, ist vom Senat die Erstellung eines Gutachtens auf der Grundlage der Begutachtung des Kindesvaters und des Inhalts der Verfahrensakte erbeten worden. Sogleich erging an alle Beteiligten der Hinweis, dass das Verhalten der Kindesmutter nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung beurteilt werden kann.
Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten ausgeführt, in den Akten seien keine Aussagen von L zu einem sexuellen Missbrauchsgeschehen dokumentiert, die den Anforderungen an eine Glaubhaftigkeitsuntersuchung genügten. (Wird ausgeführt.)
Beide Parteien halten an ihrer Antragstellung fest. Der Kindesvater bevorzugt dennoch eine Zwischenentscheidung, weil er meint, dass eine Begutachtung im Interesse des Kindes sei und er ein von ihm im Ergebnis zu erwartendes Verhalten in Bezug auf das Kind auch akzeptieren könnte.
Die Beschwerde der Ast. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
II. Zwar kann in Verfahren wegen der Regelung des Umgangs die psychologische Begutachtung des Kindes grundsätzlich nur mit Zustimmung des Sorgeberechtigten angeordnet und durchgeführt werden. Da die Kindesmutter aber vorliegend die Zustimmung zur Begutachtung der durch den Senat bestellten Gutachterin seit langem verweigert und nach dem jetzigen Sachstand eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr auszuschließen ist, muss die Zustimmung nunmehr im Interesse des Kindes - gem. § 1666 BGB - gerichtlich ersetzt werden.
§ 1684 I BGB normiert das Recht eines jeden Kindes zum Umgang mit jedem Elternteil. Dieses Recht korrespondiert mit dem Recht und der Pflicht jedes Elternteils zum Umgang mit dem Kind, wobei hier nicht die Befriedigung der Elterninteressen im Mittelpunkt steht. Beiden Elternteilen ist es deshalb untersagt, das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil zu beeinträchtigen, § 1684 II BGB.
Im Rahmen der dem Senat in dem Verfahren wegen Umgangs obliegenden Pflicht zur amtswegigen Aufklärung des Sachverhalts, § 12 FGG, ist es nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Ausführungen im Gutachten, der Aussagen der Vertreterin des Jugendamts sowie im Ergebnis der Anhörung des Kindes notwendig, zu klären, ob der Umgang in der jetzigen Situation des Kindes gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen kindeswohlgefährdend ist oder welche positiven Auswirkungen der Umgang für das Kind haben könnte. Dies umso mehr, als L in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat am 17. 3. 2006 verbal den Umgang mit ihrem Vater, wie bisher, ablehnte, weil - so sinngemäß - sie das nicht will, Mutti das nicht will, sie beide das nicht wollen; zugleich aber durchaus hellhörig wurde und es nicht glauben wollte bzw. konnte, dass der Vater den Kontakt zu ihr wünscht. Der Senat hält es danach nicht für ausgeschlossen, dass L sich in gewisser Weise für den Vater interessiert, zumindest auf ihn neugierig ist.
Zum körperlichen, geistigen und seelischen Wohl eines Kindes i.S. des § 1666 BGB gehört unter anderem auch ein konfliktfreier Umgang eines Kindes mit beiden Elternteilen. Vorliegend ist die Kindesmutter in keiner Weise bereit, den Umgang des Kindesvaters mit dem Kind zu gewähren. Die vom Senat angeordnete Begutachtung des Kindes lehnt sie ohne rechtfertigenden Grund ab. Soweit sie Ablehnungsgründe in der Person der Sachverständigen sieht, nimmt der Senat auf seinen Beschluss vom 12. 1. 2006 Bezug. Die Kindesmutter verkennt bei ihrem Handeln völlig, dass von einem verantwortungsvollen Sorgeberechtigten erwartet wird, dass er die Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil nicht nur zulässt, sondern positiv fördert, und der Ausschluss des persönlichen Umgangs mit einem Elternteil nur angeordnet werden darf, um eine konkrete, gegenwärtig bestehende Gefährdung der körperlichen/oder geistig-seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden (vgl. u.a. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1684 Rdnr. 31 m.w. Nachw.).
Eine derartige Gefährdung, die einen zeitweisen Ausschluss des Umgangsrechts gebietet, vermag der Senat - ohne die erforderliche Begutachtung des Kindes - derzeit nicht festzustellen. L selbst hat keine auch nur ansatzweise nachvollziehbaren oder billigungswerten Gründe für die Ablehnung des Vaters genannt. Sie geht eher emotionslos mit dem Thema Vater um („Die Mutter habe eine Truppe aufgestellt, um ihr zu helfen“). Soweit die Kindesmutter immer wieder den Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs durch den Kindesvater zum Ausdruck bringt, bestehen dafür - auch unter Berücksichtigung des nach Aktenlage erstellten Gutachtens der Sachverständigen - keine greifbaren Ansatzpunkte.
Vielmehr ist in dem Verhalten der Kindesmutter eine Gefährdung des Kindeswohls zu sehen, die eine Maßnahme gem. § 1666 BGB rechtfertigt. Hierbei muss das Verhalten weder auf bösem Willen der Kindesmutter noch auf missbräuchlicher Ausübung der elterlichen Sorge beruhen. Die Kindeswohlgefährdung ist hier darin zu sehen, dass die Kindesmutter die Zustimmung zur Begutachtung ohne sachlich gerechtfertigten Grund verweigert. Dies hat zur Folge, dass der Senat die nach § 12 FGG gebotene Sachaufklärung nicht in dem notwendigen Maße betreiben kann. Ohne die Begutachtung des Kindes kann der Senat nicht feststellen, ob derzeit Umgangskontakte des Kindes mit seinem Vater im Interesse des Kindeswohls tatsächlich - wie von der Kindesmutter gewollt - einzuschränken sind.
Das vom Senat eingeholte Gutachten sowie die persönlichen Anhörungen der Parteien selbst ergeben schwerwiegende Anhaltspunkte dafür, dass auf Grund der erheblichen Beeinflussung des Kindes durch die Mutter derzeit die Unterhaltung eines normalen Verhältnisses zum Vater und damit ein geregelter Umgang nicht möglich erscheint (vgl. OLG Zweibrücken, NJWE-FER 1998, 271 = FamRZ 1999, 521). Die Ersetzung der Zustimmung der Kindesmutter und damit eine notwendige - gegebenenfalls mehrfache - kurzzeitige Herausnahme des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt zum Zwecke der Begutachtung ist erforderlich, da nur auf diese Weise eine tatsächliche Entscheidungsgrundlage für die Umgangsregelung geschaffen werden kann (vgl. auch BayOblG, FamRZ 1995, 501). Um der Kindeswohlgefährdung zu begegnen, stehen derzeit keine milderen Mittel als der Teilentzug der elterlichen Sorge zur Verfügung.
Dem Senat geht es mit seiner Entscheidung darum, weiter nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die zum Wohle des Kindes sind. Es soll mit der Begutachtung unter anderem auch festgestellt werden, ob der geäußerte Wille, keinen Kontakt zum Vater haben zu wollen, tatsächlich der Wille von L ist, selbst wenn sie das subjektiv so empfindet. Es geht hierbei nicht vorrangig um die Aufklärung des von der Kindesmutter behaupteten sexuellen Missbrauchs, sondern vielmehr auch darum, ob das Verhältnis der Eltern zueinander die Einschränkung oder den Ausschluss des Umgangs als unabdingbar erscheinen lässt bzw. wie die Eltern sich gegebenenfalls im Interesse des Kindes zu verhalten haben und einbringen können oder müssen.
Das Kindeswohl wird regelmäßig durch eine solche psychologische Begutachtung nicht durchgreifend beeinträchtigt. Anders läge der Fall unter Umständen bei einer stationären Begutachtung, wie von der Gutachterin nur als äußerste Maßnahme vorgeschlagen und von dem Kindesvater aufgegriffen. Der Senat hält diese Maßnahme trotz aller Probleme, die auf die Beeinflussung der Mutter zurückzuführen sind, nicht für angezeigt.
Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft beruht auf § 1909 I 1 BGB. Weil eine natürliche Person nicht zur Verfügung steht, war das Jugendamt zum Pfleger zu bestellen, §§ 1915 I, 1916 i.V. mit §§ 1779, 1791b BGB.
Auf Grund der bisher verwehrten Zustimmung der Kindesmutter zur Begutachtung und des wiederholten Versuchs, die Sachverständige abzulehnen, erachtet der Senat zusätzlich die Beauftragung des Gerichtsvollziehers für notwendig. Dieser ist staatlich autorisiert, der Mutter das Kind zum Zwecke der Begutachtung wegzunehmen und an den Pfleger herauszugeben.
Die Ermächtigung zur Gewaltanwendung, die nur das letzte Mittel zur Durchsetzung der Herausgabepflicht sein kann, beruht darauf, dass der Senat auf Grund des bisherigen Verhaltens der Kindesmutter (Wohnortwechsel nach S. und nach B. ohne Bekanntgabe der Anschriften, Nichtförderung von Freundschaften und Kontakten des Kindes, Schulwechsel des Kindes, Fixierung des Kindes nur auf ihre Person und damit evtl. verbundene soziale Isolation des Kindes, Anpassung des Kindes an die Wünsche der Mutter) eine Verweigerung nicht ausschließen kann und hierin eine Gefährdung für das Kindeswohl sieht (vgl. auch BVerfG, FamRZ 2006, 537).
Die Ersetzung der Zustimmung zur Begutachtung mittels eines teilweisen Sorgerechtsentzugs hält der Senat auch erstmals in dem Rechtsmittelverfahren für zulässig, da es letztlich um die Sicherung eines weitestgehend effektiven Rechtsschutzes für alle Beteiligten geht (vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2006, 1).
Anm. d. Schriftltg.:
Zur Entziehung des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten bei Verstoß gegen die Schulpflicht vgl. OLG Brandenburg, NJW 2006, 235. Vgl. zur einstweiligen Entziehung von Teilen der elterlichen Sorge wegen Schulschwänzen OLG Koblenz, NJW-RR 2005, 1164.