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Lomax
Vielschreiber

Beiträge: 68


New PostErstellt: 20.11.05, 23:17     Betreff: Re: "Der eiserne Rat" ist erschienen.

Sandisk Sansa Clip Tragb...
Hallo Molosovsky,

dann antworte ich mal auf deine Mail, so weit ich es aus dem Kopf und
ohne Rückgriff aufs Original tun kann:

> Zitat:
> '{...}, and it was ... so--' He shook his hands at his head. '--so
> draining...'
>
> Im Deutschen, Seite 665, fünfte Zeile von unten:
>
> Zitat:
> »{...}, und es war - so ...« Er schüttelte die Fäuste neben seinem
> Kopf. »... so kräftezehrend ...«
>
Ich würde mal sagen, hier liegt dann eine Notlösung vor: Dass der
Gedankenstrich am Ein- und Ausgang im Rahmen einer "Standardersetzung"
zu den drei Punkten wurde, und dann die drei Punkte davor als optisch
unschön empfunden wurden. Aber einen wirklichen Grund, warum die
englischen drei Punkte hier zu einem Gedankenstrich werden sollten, sehe
ich hier nicht; ich finde es nicht einmal besonders glücklich. Aber
mitunter ist es schon ein Wert an sich, Ballungen desselben
Sonderzeichens zu vermeiden. Wer jetzt in diesem speziellen Fall dafür
verantwortlich ist, weiß ich nicht mehr: Es könnte durchaus eine
Ermessensentscheidung sein, die ich auch treffen würde; wenn auch nicht
ohne Bauchgrimmen. (Ah, jetzt habe ich für einen anderen Punkt doch noch
mal die Originaldatei geöffnet und gesehen, dass diese Ersetzung
tatsächlich schon in der ursprünglichen Übersetzung drin war; aber wie
gesagt, letztendlich ist es zumindest eine Entscheidung, die ich
nachvollziehen kann und für die ich mich daher auch gerne schlagen lasse
:-) )

> Mir fällt einmal auf, daß im Deutschen nur der bekanntere
> Halbgeviertstrich und der kurze Divis verwendet wird, aber selten (so
> auch bei »Der Eiserne Rat« nicht) der lange Geviertstrich vorkommt; er
> wird durch einen Halbgeviertstrich ersetzt. (Mein Handbuch dazu ist der
> »Typo Atlas« von Günter Schuler).

Damit haben wir nun wenig zu tun. Für die Setzung von langen/kurzen
Gedankenstrichen sorgt normalerweise der Satz mit automatischen
Umsetzungen. Da verlasse ich mich mal drauf, dass der weiß, was er tut.

> Zudem: warum nicht >kräftezehrend< entsprechend >draining< auch
> kursiv?

Das habe ich jetzt noch mal nachgesehen und festgestellt, dass die
kursive Setzung schon in der ersten Übersetzung fehlte. Im Lektorat wird
auch nur noch die deutsche Fassung bearbeitet; ein Vergleich mit dem
englischen Original findet nicht statt - es sei denn, mir kommt im
Deutschen explizit etwas merkwürdig vor und ich brauche das englische
Original, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn also eine solche
Formatangabe in der Übersetzung nicht übernommen wird, fällt das unter
die Entscheidung des Übersetzers.
Es ist auch sehr sinnvoll, den Übersetzer eine solche Entscheidung zu
überlassen; denn oft genug erübrigt sich eine solche Markierung im
Deutschen auch. Ich persönlich lasse als Übersetzer beispielsweise eine
Kursivsetzung weg, wenn sie eine Betonung ausdrückt und im Deutschen
schon durch eine verstärkendes Wort eine solche Betonung ausgedrückt
wird. Ob in dem Fall eine solche berechtigte Entscheidung des
Übersetzers vorlag, kann ich spontan nicht sagen; ich würde es als
Lektor auch nicht hinterfragen - es sei denn, man merkt es dem Deutschen
Text ohne Kenntnis des Originals an, dass etwas fehlt.
Es gibt allerdings, wie ich selbst schmerzhaft erfahren habe, auch den
Fall, dass typografische Merkmale irgendwann vor dem Druck verloren
gehen. Dann kann es sein, dass man als Übersetzer in seiner Datei etwas
kursiv gesetzt hat, aber der Lektor, oder der Setzer oder wer auch immer
öffnet die Datei mit einem anderen Textverarbeitungsprogramm, und
plötzlich wurde die Kursivsetzung "geschluckt". Oder der Satz bearbeitet
von Hand nach und übersieht dabei etwas. Aus diesem Grund markiere ich
als Übersetzer auch kursive Stellen sowohl kursiv als auch
unterstrichen, weil es unwahrscheinlich ist, dass gleich zwei
Markierungen verloren gehen bzw. dass ein Setzer die Unterstreichung
übersieht. Das ist eigentlich auch als Standard so vorgesehen.
Mitunter geraten solche verlorenen Markierungen also einfach durch
technische Fehler ins Buch, und am Ende ist es nicht immer
nachzuvollziehen, ob wirklich eine bewusste Entscheidung getroffen wurde
oder einfach nur der Zufall zugeschlagen hat.

> Nimm Stellen wie den Weber-Auftritt (deutsch Seite 283, englisch S.
> 253). Im Original echte Kapitälchen (sogen. Small Caps), auf Deutsch
> >nur< Versalien.

Auch hier entscheidet am Ende der Satz. Ich selbst habe schon bei
Übersetzungen recht ausführliche Fußnoten dazugeliefert, ob Kapitälchen,
Versalien oder diese oder jene abweichende Typographie verwendet werden
soll. Eva hat in dem Fall auf solche Sperenzchen verzichtet und alles
"physisch" in Großbuchstaben getippt. Damit hat sie natürlich die Chance
vertan, elegantere Kapitälchen oder ähnliche typographische
Darstellungen zu verwenden - aber sie hat zugleich auch sicher gestellt,
dass die Hervorhebung gegeben ist und im Satz nichts schiefläuft.
Und wenn man weiß, woher die angesprochenen Schnitzer in Marraks
"Morphogenesis" kamen, dann kann man durchaus zu dem Schluss kommen,
dass das sehr klug von ihr war. Ob man also als Übersetzer versucht, ein
möglichst "perfektes" Schriftbild mit Satzanweisungen und viel
Gottvertrauen zu erreichen, oder ob man lieber auf "einfach, aber
sicher" setzt, das hängt vielleicht auch ein wenig vom persönlichen Maß
an Paranoia ab - und die Paranoia steigt mit den Jahren an Erfahrung,
wie ich leider sagen muss

> Vor der Übersetzung kniee ich respektvoll nieder, auch wenn sie an
> vielen kleinen Stellen kurz vom Ton, der Knappheit des Originals
> abweicht. Der deutsche »Eiserne Rat« ist sicherlich um einiges
> erklärender, weniger sperriger gegen flottes Verständnis als das

Für den Titel kann die Übersetzerin übrigens nichts; von Eva wurde der
Roman als "Feuerross" abgegeben
Aber als die Übersetzung fertig war, hatte längst schon der Verlag einen
Titel im Programm stehen.

> Original. Dafür gönnt sich Bauche-Eppers an wenigen Stellen Exotismen
> und Neologismen, die so nicht an der Stelle im Original stehen;

Ja, darüber haben wir vor allem bei PSS ausgiebigst beim Lektorat
diskutiert. Es ist aber andererseits so, dass Mieville im Original eine
Menge Begriffe hat, die ungewöhnlich sind und einen Kontext haben, die
man im Deutschen aber nicht adäquat wiedergeben kann. In dem Fall muss
man schon aus Sachzwängen heraus vereinfachen oder weglassen. Durch ihre
Entscheidung, dafür an anderen Stellen freier vorzugehen und
Möglichkeiten zu nutzen, die sich anbieten, hat Eva es immerhin
geschafft, den sprachlichen Reichtum des Originals zu erhalten. Wenn man
an manchen Stellen beschneiden muss, muss man an anderen eben mehr
wachsen lassen, damit es insgesamt nicht einfach weniger wird. Dass das
im Einzelfall eine problematische Ermessensentscheidung ist, ist klar.
Ich wäre als Übersetzer vermutlich zu feige dafür Aber ich muss
auch einräumen: Wenn man in jedem Einzelfall eine "sichere" und
"angemessene" Übertragung gewählt hätte, wäre das Ergebnis gewöhnlich
geworden.

> Auch Du liebe Zeit, ich hoffe, ich kau Dir kein Aug ab, Lomax. Aber es
> immer schön, mit jemanden über solch spezielle Details zu plauschen.

Och nö, da der Mievielle mir regelmäßig die aufwändigsten Lektorate mit
den meisten Rückfragen und grübeln über jedem einzelnen Wort beschert
... ist es ja ganz nett, wenn man danach wenigstens noch mal drüber
reden kann Auch wenn ich wider besserer Vorsätze nun doch noch in die
Originale geschaut habe und mich nicht kürzer fassen konnte ...

viele Grüße

Lomax


____________________
Endlich bin ich auch dabei: Lomax' Weblog lockt ins Lohmannsland - www.lohmannsland.de
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