Der Tod des von Londoner Polizisten erschossenen unschuldigen 27-jährigen Brasilianers Jean Charles de Menezes hat in Großbritannien bei Moslems Zweifel am Vorgehen der Polizei aufkommen lassen. Brasiliens Außenminister, Celso Amorim, sowie Angehörige des Mannes forderten eine Aufklärung des Vorfalls.
Jean Charles de Menezes (2. v.r.) wurde irrtümlich in London erschossen
"Dies sorgt für Schock und Bestürzung in der moslemischen Gemeinschaft", sagte Inayat Bunglawala, Sprecher des Moslemischen Rates von Großbritannien. "Es gibt große Beklemmung." Zwar verstünden die 1,6 Millionen Moslems des Landes, dass die Polizei stark unter Druck stehe, die Täter der Bombenanschläge auf das Nahverkehrssystem Londons zu finden. Er fügte aber hinzu: "Wir glauben, dass es absolut unerlässlich ist, äußerste Sorgfalt anzuwenden, damit sicher gestellt ist, dass nicht unschuldige Menschen wegen Übereifers getötet werden."
Die britische Polizei hatte den Elektriker, der seit drei Jahren in London lebte, am Freitag in der U-Bahn in London auf der Suche nach Verdächtigen der Anschläge vom Vortag erschossen. Am Samstag teilte sie mit, der Mann habe keinen Bezug zu den vier Anschlägen auf das Nahverkehrssystem und drückte ihr Bedauern über den Vorfall aus. Scotland Yard kündigte eine interne Untersuchung des Geschehens an.
Brasiliens Außenminister Amorim, der an diesem Wochenende wegen einer Konferenz über die UN-Reform nach London reist, zeigte sich geschockt und perplex von der Schießerei, wie der Fernsehsender Globo TV berichtete. Amorim forderte von Großbritannien Aufklärung zu den Vorgängen. Er will nach Angaben aus Brasilia bei einem Treffen mit seinem britischen Kollegen Jack Straw auch diesen Zwischenfall zur Sprache bringen. Die Cousine des Opfers sagte: "Es ist eine Ungerechtigkeit, es muss etwas getan werden."
Scotland Yard-Chef Ian Blair hatte gesagt, es gebe eine "direkte Verbindung" zwischen dem Mann und den versuchten Anschlägen auf drei U-Bahnen und einen Bus. Nach Augenzeugenberichten hatte ein Polizist in Zivil dem asiatisch aussehenden Mann in der Station Stockwell fünf Mal in den Kopf geschossen. Zuvor war der Mann zunächst unweit der U-Bahn-Station aus einem Haus gekommen, das von Ermittlern im Zusammenhang mit den versuchten Anschlägen überwacht worden war. Der Mann sei dann in einen Bus gestiegen und zur U-Bahn gefahren. Dabei sei er beschattet worden. Dort wurde er von den Polizisten aufgefordert, stehen zu bleiben. Nach Augenzeugenberichten rannte der Mann dann aber los.
Nach Auffassung von Sicherheitsexperten hat sich die Polizei beim Zusammentreffen mit mutmaßlichen Attentätern ganz klar einer Politik zugewandt, bei der durch Schüsse gezielt getötet werde. Der frühere Londoner Polizeichef John Stevens verteidigte das Vorgehen. "Es gibt nur einen sicheren Weg, einen Selbstmordattentäter zu stoppen, der davon überzeugt ist, seine Mission auszuüben - sein Gehirn sofort zu zerstören, vollständig. Das heißt, ihn mit zerstörerischer Wucht in den Kopf zu schießen, ihn sofort zu töten."
Britische Medien berichteten unterdessen von einer möglichen Verbindung zwischen den Attentäter der Anschläge in London vom Donnerstag und denen von zwei Wochen zuvor. Zwei der Bombenleger der Anschläge vom 7. Juli hätten in derselben Einrichtung in Wales einen Wildwasser-Rafting-Ausflug mitgemacht wie einige der Attentäter vom 21. Juli. Dies gehe aus Beweismaterial hervor, das in von den Attentätern hinterlassenen Rucksäcken gefunden worden sei.
Unterdessen wurde in einem Gebüsch im Nordwesten Londons ein verdächtiges Paket entdeckt. Das Gelände wurde abgesperrt. Nach ersten Ermittlungen von Spezialisten könne es einen Zusammenhang mit den nicht explodierten Sprengsätzen vom Donnerstag geben, hieß es von Scotland Yard.
Die Polizei verhörte am Wochenende außerdem weiter zwei Terrorverdächtige, die am Freitagabend und in der Nacht zum Samstag festgenommen worden waren. Polizeichef Blair sagte dem Rundfunksender BBC, die Festnahmen seien "sehr viel versprechend". Ob es sich bei den zwei Männern um Verantwortliche der verhinderten Attentate vom Donnerstag in drei U-Bahnen und einem Bus handelte, sagte er nicht.
Scotland Yard erhielt nach der Veröffentlichung von Aufnahmen der vier mutmaßlichen Attentäter am Freitag etwa 500 Anrufe über die Antiterror-Hotline. Den Informationen werde jetzt nachgegangen, um möglicherweise entscheidende Hinweise zur Ergreifung der Täter zu bekommen, hieß es bei der Polizei. Die Aufnahmen stammten von Überwachungskameras, die in den drei U-Bahnen und dem Bus installiert waren, wo die Bomben explodieren sollten. Allerdings detonierten nur die Zünder. Deshalb kam bei den Attentatsversuchen niemand zu Schaden. Bei den Selbstmordanschlägen vom 7. Juli, ebenfalls in drei U-Bahnen und einem Doppeldeckerbus, waren 56 Menschen getötet und weitere 700 verletzt worden.
Die tödlichen Schüsse auf einen unschuldigen Brasilianer haben die Briten bestürzt. Scotland-Yard-Chef Blair entschuldigte sich für die "Tragödie", verteidigt aber die Strategie des "shoot to kill". Auch der frühere Polizeichef Lord Stevens befürwortet Todesschüsse: "Wir leben in einer Zeit des Bösen, wir sind im Krieg."
linkes Foto: AP / Polizei-Chef Blair: "Keine Alternative" ..................... rechtes Foto: REUTERS / de Menezes: Irrtümlich erschossen
London - Trotz aller Kritik wegen der Erschießung des 27-jährigen brasilianischen Elektrikers Jean Charles de Menezes durch die Polizei haben die Verantwortlichen ihre Strategie der harten Hand verteidigt. Der frühere Polizeichef Lord Stevens schrieb in der Sonntagszeitung "News Of The World": "Wir leben in einer Zeit des Bösen und befinden uns im Krieg mit einem Feind von unaussprechlicher Brutalität." Deshalb bestehe für ihn trotz aller Risiken kein Zweifel: "Es gibt nur einen sicheren Weg, um einen Selbstmordattentäter an der Tat zu hindern - zerstöre sein Gehirn auf der Stelle." Scotland-Yard-Chef Ian Blair sagte ebenfalls, es gebe zum finalen Kopfschuss keine Alternative, sobald der Verdacht besteht, dass ein Verdächtiger einen Sprengstoffgürtel trägt und zünden könnte.
Auch der ansonsten für seine sehr liberalen Ansichten bekannte Londoner Bürgermeister Ken Livingston verteidigte den Ansatz der gezielten Todesschüsse bei Terroristen auch im Fall des unschuldig ums Leben gekommenen Mannes: "Die Polizei handelte im Glauben, das Notwendige zum Schutz der Menschenleben zu unternehmen. Diese Tragödie hat ein weiteres Opfer auf die Totenliste gesetzt, für die die Terroristen die Verantwortung tragen."
Mörder in Uniform und hinter den Schreibtischen! Die Haupträdelsführer sind Bush und Blair! Wie konnten die US-Amerikaner den Kriegsverbrecher Bush und dito die Briten Blair wiederwählen - bei so viel Blut an deren Händen?!
Nachdem die Schweizer Polizei beim G8-Gipfel in Evian um ein Haar zwei Aktivisten tötete, als sie das Seil einer Kletter-Blockade-Aktion durch-schnitten, kommt es im Februar in Nyon, CH, zum Prozess gegen verantwortliche zwei Polizisten.Die Aubonne Support Gruppe ruft auf zur Teilnahme am Prozess, an der vorhergehenden Party und verschiedenen Workshops
Die Cops vor Gericht sehen, uns unterstützen, zu den Workshops kommen und feiern
Prozess gegen die für den Aubonne-“Fall” verantwortlichen Polizisten
Im Mai 2003 blockierte eine AktivistInnengruppe die Autobahnbrücke Aubonne (“Aubonnebrücke”) um einer G8 Delegation den Weg zum Gipfel in Evian zu versperren. Die Polzei durchtrennte das Kletterseil und tötete dabei beinahe zwei AktivistInnen. Nun müssen sich der Polizist, der das Seil kappte, und sein Vorgesetzter vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet “fahrlässige Körperverletzung”...
Wir rufen auf zur aktiven Teilnahme an den Vorbereitungen der Kampagne, dem Gerichtsverfahren, den gleichzeitig stattfindenden Workshops und natürlich der Party.
Auftakt- Party in Genf – Freitag, 10. Februar Ein positiver und kraftvoller Start zum Prozess Wo? RHINO, Le Bistr'Ok, 24, bd des Philosophes 20.00 Uhr: Infoabend zum Aubonne-“Fall”. Gezeigt wird u.a. das Video der Aktion 22.00 Uhr: PARTY mit DJ
Vorbereitung – Samstag, 11. und Sonntag, 12. Februar Am Wochenende vor dem Prozess laden wir so viele Leute wie möglich dazu ein, bei der Planung und Vorbereitung der folgenden Tage mitzuhelfen. Es wird sehr viel zu tun geben, setzt euch also in Verbindung!
Die Verhandlung in Nyon – Montag, 13. bis Mittwoch, 15. Februar Wir hoffen auf eine groβe (und internationale) Präsenz vor dem Gerichtsgebäude v.a. zum Auftakt des Verfahrens (Treffpunkt Montag morgen um 8 Uhr vor dem Gericht) und zur Urteilsverkündung (Mittwoch mittag). Auβerdem wäre es gut, wenn möglichst viele Menschen der gesamten Verhandlung beiwohnen könnten. Der Verhandlung ist auf drei Tage angesetzt:
Montag, 13. Februar 09.00 - 14.00 Uhr, Treffen um 8h Dienstag, 14. Februar, 09.00 - 14.00 Uhr Mittwoch, 15. Februar, ab 09.00 Uhr
Gerichtsgebäude (gleiches wie beim letzten Mal): Tribunal d’arrondissement de la Cote, Rte de St-Cergue 38, Nyon
Workshops in Genf, 20.00 Uhr, La Tour, 4, rue de la Tour Sonntag, 12.2: Interaktiver, multimedialer Workshop über zum G8 von TRAPESE ( http://trapese.org) + Info über Anti-G8-Mobilisierung in Germoney
Montag, 13.2: Repression, Polizeitaktiken und -waffen von PIGBROTHER ( http://pigbrother.info)
Dienstag, 14.2: Aktivismus, Trauma und unsere Unterstützung von ACTIVIST TRAUMA SUPPORT ( http://activist-trauma.net)
Es gibt eine begrenzte Anzahl von Pennplätzen von Freitag, 10. bis zum Mittwoch, 15. Februar. Wer einen Pennplatz benötigt, muss sich selbst ausreichend Schlafsäcke, Decken und Isomatten mitbringen und vor allem uns vorher Bescheid geben! Damit Unterbringung und Essen etc. funktioniert, wäre es gut, wenn sich alle selbstorganisiert einbringen.
Für mehr Infos und zum Download von einem 8 min. Video der Brückenaktion: www.aubonnebridge.net
Kontakt! >
Wir erwarten keine Gerechtigkeit von dieser Gerichtsverhandlung. Es wird niemals Gerechtigkeit geben ohne soziale und ökologische Gerechtigkeit. Gerechtigkeit kommt niemals vom Staat. Jedes Geichtsverfahren ist ein Theaterstück mit dem Ziel die Privilegien der Reichen und Mächtigen zu sichern. Wir haben uns dazu entschlossen bei diesem Spiel mitzumachen um Polizeigewalt öffentlich zu machen und ein Sand ins Getriebe des Polizeistaates zu streuen.
Zur Erinnerung:
1. Szene – Aubonne Brückenaktion (1. Juni 2003) Die Aubonnegruppe blockiert die Autobahn Genf-Lausanne (auf der Aubonnebrücke) durch eine Kletteraktion mit dem Ziel einem Konvoi einer offiziellen G8-Delegation den Weg zum Gipfel in Evian zu versperren. Die Polizei trifft am Ort des Geschehens ein, verbreitet Chaos und durchtrennt schlieβlich das Seil, an dem zwei KlettererInnen hängen. Martin stürzt 23m in die Tiefe, überlebt durch Glück, erleidet jedoch zahlreiche, schwere Verletzungen. Sein rechter Fuss wird für den Rest seines Lebens beschädigt sein. Gesine konnte im letzen Moment durch die schnelle Reaktion der AktivistInnen auf der Brücke gehalten werden.
2.Szene – Gerichtverhandlung gegen die AktivistInnen (28. Juni 2004) Die AktivistInnen werden schuldig gesprochen wegen Eingriffs in den Strassenverkehr und der Bedrohung des Lebens der AutofahrerInnen und erhalten Bewährungsstrafen.
3. Szene – Verfahren gegen die verantwortlichen Polizisten eingestellt (22. Oktober 2004) Der Untersuchungsrichter stellt, das Verfahren gegen die Polizei ein, im Prinzip mit der Begründung die AktivistInnen seien selber Schuld. Die AktivistInnen reichen Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Der Staat verweigert jegliche Verantwortung, und Entschädigungsforderungen werden von einem rechtskräftigen Urteil gegen die Polizisten abhängig gemacht.
4. Szene – Widerspruch stattgegeben (13. Mai 2005) Der Rekurs wird vom höheren Gericht schlieβlich anerkannt, was zur Anklage führt gegen den Polizisten, der das Seil durchtrennte, und seinen Vorgesetzen (Einsatzleiter auf der Brücke), wegen fahrlässiger Körperverletzung. Der Anwalt reicht eine Forderung ein, die Anklage auf Lebensgefährdung zu erhöhen.
5. Szene – Prozess gegen die Polizei (13. – 15. Februar 2006) Michael Deiss (aus Schaffhausen) und Claude Poget (aus Vaud) müssen sich vor Gericht verantworten. Angesichts der Geschichte totaler Imunität der Polizei in der Schweiz scheint es unwahrscheinlich, dass die Angeklagten schuldig gesprochen werden. Für den Fall, dass sie doch verurteilt werden, wird es nur zu geringen Strafen kommen, wie Geldstrafen oder kurze Haftstrafen auf Bewährung.
Es gab eine groβe Zahl von Solidaritätsaktionen und sehr viel Unterstützung von so vielen Menschen, sowohl nach dem Brücken-Fall, als auch während der Prozesse gegen uns... eine riesengroβes Dankeschön an alle!!!
[/size=15]Der Unterschied der Reaktionen auf den Mord des Polizisten Uwe Lieschied und auf den Mord des Asylbewerbers Oury Jalloh zeigen ein schreckliches Bild des deutsche Rassismus.[/size]
Am Freitag, dem 17.3.2006, wurde der Polizist Uwe Lieschied in der Hasenheide, Berlin, angeschossen. 4 Tage später verstarb er. Der vermutliche Täter war der türkische Staatsangehörige Memet E.
Am 7.1.2005 verstarb Oury Jalloh, ein Asylbewerber aus Sierra Leone. Er verbrannte gefesselt in einer Polizeizelle in Dessau. Dringend tatverdächtig ist vor allem der inzwischen suspendierte Dienststellenleiter.
In beiden Fällen liegt ein Mordfall vor. Beide Ermordete hinterlassen Freunde, Kinder und Familie. Doch die Reaktion seitens Öffentlichkeit, Presse, Politik, Polizei und Justiz zeigen viel von dem weit verbreiteten Rassismus in unserer Gesellschaft: Die Unterschiede fangen schon bei den Bezeichnungen für die Taten an: Während im Fall von Uwe Lieschied alle von ?Mord? sprechen , verbot die Polizei, bestätigt durch das Verwaltungsgericht Dessau, im Falle Oury Jalloh diese Bezeichnung unter der Behauptung, es sei ?Selbstmord? gewesen (siehe: http://no-racism.net/article/1620/ ).
Die Behauptung, dass der Polizist sich selber erschoss, ist ähnlich absurd wie jene, dass sich Oury Jalloh, der vorher durchsucht wurde, fixiert auf einer schwer entflammbaren Matratze, sich selbst anzündete.
Hinter dem Streit um das Wort ?Mord? bzw. ?Selbstmord? steht natürlich die Frage der Strafverfolgung und der Ermittlungen: Im Falle Uwe Lieschied wurde mit Hochdruck ermittelt, 8 Tage nach dem Mord wurden der vermeintliche Mörder und ein Komplize festgenommen. Der Generalstaatsanwalt erklärte, dass es bald zu einer Anklage kommen werde. Im Falle Oury Jalloh ist die Sache genau umgekehrt: Die Polizei vertuscht und verheimlicht; die Staatsanwaltschaft begann mit ihren Ermittlungen erst über 1 Monat nach dem Mord. Seit dem 6.Mai 2005 läuft gegen den Dienstellenleiter ein Verfahren wegen ?Körperverletzung mit Todesfolge?. Herausgekommen ist bislang sehr wenig. ( siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh ). Die Nebenklage der Eltern wurde abgewiesen, da bezweifelt wird, ob sie wirklich die Eltern sind. Nichtsdestotrotz wurde die Leiche an die Eltern zurückgeschickt.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass Memet E. und sein Komplize jetzt in Untersuchungshaft sitzen, während der Dienststellenleiter erst versetzt wurde, bevor er suspendiert wurde. Seine mutmaßlichen Komplizen wurden auf eine andere Dienststelle versetzt. Ob sie jemals bestraft oder auch nur angeklagt werden, darf stark bezweifelt werden.
Auch Presse, Politik und die Öffentlichkeit machen einen großen Unterschied zwischen den beiden Verbrechen.
Als der Polizist Uwe Lieschied starb, gab es große Anteilnahme. An einem Schweigemarsch beteiligten sich 7000-8000 Menschen, beim Begräbnis waren nochmals 1000 Menschen anwesend.
Auch im Falle Oury Jalloh gab es eine große Betroffenheit. Doch betroffen war diesmal nicht die Gesellschaft als solche, sondern vor allem MigrantInnen und einige Linke. Ein Trauerzug fand am 26.3. statt, 200 Menschen beteiligten sich; am 1. 4. 2006 beteiligten sich fast 1000 Menschen an einer Demo, die sich gegen die Vertuschung und Straflosigkeit richtete. Die Presse berichtete über den Fall Oury Jalloh, doch von einem wirklichen Aufschrei ist wenig zu hören. ( http://www.attac.de/halle/oury/de/presse.htm)
Als Fazit kann mensch nur feststellen, dass es ein grosser Unterschied ist, ob das Opfer nun weiß, deutsch und Polizist ist, oder ob diese Beschreibung auf den Täter passt. Und dieser Unterschied heißt Rassismus.
... wie schon an anderer Stelle gesagt: ... ... die Verwandte bzw. die Fortsetzung der fundamentalchristlich-besitzbürgerlichen Denkart ist der Nationalsozialismus
bjk gleich auf dem Weg zur Montagsdemo - jetzt erst recht
Eine Nacht und einen Tag lang hat der 28-jährige Juan S. im Polizeigewahrsam verbracht. Dann erließ ein Richter Haftbefehl gegen ihn, setzte diesen aber außer Vollzug. Juan S. musste sich zwei Mal pro Woche bei einer Polizeidienststelle melden und durfte in dieser Zeit nicht ins Ausland reisen.
Juan S. wurde beschuldigt, während der Krawalle am 1. Mai 2002 eine Flasche zielgerichtet in Richtung von Polizisten geworfen zu haben - zu Unrecht, auf Grund der falschen Beschuldigung eines Polizisten, wie sich später herausstellte. In einem ersten Prozess im August 2002 wurde er freigesprochen, eine Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. "Ich hatte Glück mit dem Freispruch", sagte Juan S. gestern. "Ich will Lehrer werden, eine Verurteilung hätte schlimme Folgen gehabt."
Mit einem Fotoapparat unterwegs
Für den Polizisten, auf dessen Anschuldigung hin Juan S. an jenem 1. Mai 2002 festgenommen worden war, hat der Fall ein Nachspiel. Der 37-jährige Beamte musste sich gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten, die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen Freiheitsberaubung und mehrfacher Falschaussage vor Gericht an. In der Anklage heißt es, dass er als Amtsträger "wissentlich und absichtlich" darauf hingewirkt habe, dass ein Unschuldiger bestraft wird. Den Vorwurf, dass Juan S. eine Flasche geworfen habe, hatte der Beamte als Zeuge in dem Prozess gegen den Studenten wiederholt. Juan S. wurde nur deshalb freigesprochen, weil andere Polizisten die Version des Beamten nicht bestätigten und mehrere Zeugen aussagten, dass Juan S. nie eine Flasche warf.
Trotzdem betonte der Polizist in der gestrigen Verhandlung nochmals, den Flaschenwurf aus einer Entfernung von zwei Metern gesehen zu haben. Wie er sich erklären könne, dass der Beamte diese falsche Beschuldigung erhob, wurde Juan S. von der Richterin gefragt. Er antwortete, "es ist mir ein Rätsel". Möglicherweise sei er festgenommen worden, weil er zuvor die "krasse" Behandlung eines Mannes durch drei Beamte kritisiert habe. Außerdem hatte er den Polizeieinsatz fotografiert.
Der Verteidiger des Polizisten will einen Freispruch erreichen. Aus seiner Sicht sei der Fall nicht mehr zu klären. Das Gericht will weitere Zeugen hören. Der Prozess wird am 31. März fortgesetzt. (sd.)
... leider habe ich noch keine Info, wie der Prozeß am 31.3. ausgegangen ist
Freispruch für Friedensaktivistin mehr als ein Jahr, nachdem ein Polizist gegen sie Anzeige erstattet hatte
Von Gerd Bedszent
Ilona H. am 9. Januar 2005 Foto: Horst Grützner
Rund 80000 Menschen zogen am 9. Januar 2005 nach Berlin-Friedrichsfelde, um dort die ermordeten Arbeiterführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu ehren. Die einen still, die anderen kämpferisch und laut. Und wie so oft wurde die kämpferisch laute Demonstration von einem Aufgebot Uniformierter begleitet, die beim geringsten Anlaß angriffen. Auch an diesem Tag fanden sich Anlässe. So wurde ein Schüler wegen angeblichen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot gewaltsam aus dem Demonstrationszug geholt. Die am Straßenrand stehende Demonstrantin Ilona H. wurde dabei von den Ordnungshütern umgerannt und gleich mit festgenommen.
Während das Verfahren gegen den angeblich vermummten Schüler schon bald eingestellt wurde, fand am Montag am Amtsgericht Moabit der Prozeß gegen die Berliner Friedensaktivistin Ilona H. statt. Sie war von einem Polizeibeamten wegen versuchter Gefangenenbefreiung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt angezeigt worden.
Hauptbelastungszeuge war der Polizist, der auch die Anzeige gegen Ilona H. erstattet hatte. Damals war er damit beauftragt, seine den angeblich vermummten Schüler festnehmenden Kollegen abzusichern. Dies war der einzige Punkt seiner Aussage, bei dem er während des Prozesses blieb. Seiner Anzeige zufolge soll Ilona H. seine Kollegen durch »Zupfen und Zerren an den Uniformblusen« bei der Festnahme behindert haben. Dies sei der Grund für die »Sekundärfestnahme« gewesen. Seine beiden Kollegen konnten sich bei ihrer Zeugenvernehmung dagegen an keinen nennenswerten Widerstand erinnern und hatten Frau H. überhaupt erst nach ihrer Festnahme bewußt wahrgenommen.
Bei weiterer Befragung durch die Verteidigung verwickelte sich der Polizist immer mehr in Widersprüche, korrigierte mehrmals den von ihm zuerst geschilderten Ablauf und mußte schließlich zugeben, daß er Ilona H. die Arme auf den Rücken verdreht und Handschellen angelegt hatte, obwohl sie keinerlei Widerstand leistete.
Als sich beim Ansehen eines Polizeivideos sämtliche von dem Beamten geschilderten Vorgänge als falsch herausstellten, verzichtete der Richter auf weitere Zeugenbefragungen. Der Staatsanwältin blieb nicht anderes übrig, als auf Freispruch zu plädieren, der Verteidiger Eberhard Schultz schloß sich dem an. Der Richter folgte beiden Anträgen. Ungeklärt blieb in dem Prozeß, ob das Zupfen an einer Uniformbluse als staatsfeindliche Gewalttat gewertet werden kann.
... Link in Sachen genashornter Zapfnix-Polizist hier
Herr Schenk, was war der Anlass für Ihr Buch über die braunen Wurzeln des BKA?
Ich war von 1981-89 beim BKA. In dieser Zeit habe ich zwar immer wieder von den "Charlottenburgern" gehört. Das seien Altvordere des Amtes gewesen, die aus der NS-Zeit belastet waren. "Charlottenburger" hießen die deshalb, weil der Kern dieser Gruppe einen gemeinsamen Kommissarslehrgang an der SS-Führerschule in Charlottenburg absolviert hatte. Wenn ich mehr über diesen Kreis wissen wollte, konnte oder wollte man mir nichts sagen; über diesen Leuten lag ein Grauschleier. Als ich dann Mitte der 90er Jahre mit der Biografie über Horst Herold begann, wollte ich den "Charlottenburgern" auch ein Kapitel widmen, weil sie schließlich zur Geschichte des BKA gehören. Ich habe dann in Erfahrung gebracht, dass es von Paul Dickopf, Herolds Vorgänger als BKA-Präsident, einen umfangreichen Aktennachlass gibt. Dickopf starb 1973. Er hat alles mögliche penibel gesammelt – das sind 68 Bände im Bundesarchiv in Koblenz. Der Chef der Abteilung Verwaltung des BKA hat diesen Bestand 1975 ans Bundesarchiv abgegeben mit einer Sperrfrist von 25 Jahren. Damit hat man die Nazi-Vergangenheit des BKA während eines Vierteljahrhunderts praktisch zu einer Geheimsache erklärt. Eine Ausnahmegenehmigung für den Zugang zu diesem Fundus lehnte das BKA ab. Das sei wohl "nicht im Sinne des verstorbenen Herrn Dickopf". Ich musste also bis zum Ablauf der Sperrfrist im Jahre 2000 warten. Inzwischen habe ich dann andere Sachen geschrieben. Mit den Dickopf-Akten lernte ich einen Umfang der Verstrickung des BKA kennen, die ich so nicht für möglich gehalten habe. Sie waren für mich der Ausgangspunkt weiterer Recherchen über den leitenden Dienst – das waren 47 Beamte von der Gründung des BKA 1951 bis Anfang der 70er Jahre.
Bleiben wir einen Moment bei den Schwierigkeiten der Recherche. Sie haben mehrfach betont, dass Sie für Ihr Buch kein einziges offizielles Papier des BKA einsehen konnten.
Das ist richtig. Als ich mit den Arbeiten anfing, habe ich den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily schriftlich um Akteneinsicht gebeten, was dieser auch per Erlass bewilligte – und zwar sowohl für die Bestände des Bundesinnenministeriums (BMI) als auch für die des BKA. Bei einem ersten Gespräch im BKA schien man da auch ganz offen. Als ich nach Monaten trotzdem keine Unterlagen bekam, habe ich das angemahnt. Um es kurz zu machen: Über mehr als ein Jahr hinweg haben das BKA und sein damaliger Präsident Ulrich Kersten beamten- und datenschutzrechtliche Probleme vorgeschoben, um mir Akten zu verweigern; und das, obwohl Schily mir schwarz auf weiß die Genehmigung erteilt hatte und ich im Bundesarchiv die BMI-Akten einschließlich Personalentscheidungen, Beurteilungen von Beamten etc. einsehen konnte. Anfangs dachte ich, mein ganzes Projekt würde scheitern. Aber insgesamt kam mit den Akten aus dem Dickopf-Nachlass und zahlreichen Unterlagen aus Bundes- und Landesarchiven sowie aus Polen mehr als ausreichend Material zusammen.
Sie sagten, Sie haben das Ausmaß der Verstrickung nicht für möglich gehalten. Was meinen Sie damit?
Von den 47 Leuten in Leitungsfunktionen waren alle bis auf zwei NSDAP-Mitglieder gewesen. Das hatte ich mir schon gedacht, denn die waren ja auch vorher schon in entsprechenden Positionen im Polizeidienst. Nicht vermutet hatte ich jedoch, dass etwa die Hälfte von ihnen unmittelbar in Nazi-Verbrechen involviert war. Teils waren sie als Angehörige des Reichskriminalpolizeiamtes (RKPA) für die so genannte vorbeugende Verbrechensbekämpfung und damit für den Erlass von Vorbeugungshaftbefehlen und die Einweisung in Konzentrationslager zuständig. Eine größere Zahl von ihnen war als Mitglieder von Einsatzgruppen oder gar in führender Position unmittelbar an Exekutionen in Polen und der Sowjetunion beteiligt. Bernhard Niggemeyer, der dritte Mann in der Hierarchie des BKA, war Leitender Feldpolizeidirektor der Heeresgruppe Mitte in Russland. Unter seiner Regie standen zwölf Gruppen der Feldpolizei, die als Gestapo der Wehrmacht galt und massenhaft in Exekutionen involviert war. Das Bild war plötzlich ganz deutlich: Das BKA ist von ehemaligen Nazi-Tätern aufgebaut worden.
Welche Rolle spielte Dickopf in diesem Kontext?
Er war die Vaterfigur für die "Charlottenburger", zu denen im engeren Sinne sieben Leute gehörten, die mit ihm 1938/39 im selben Lehrgang waren. Bis 1942 sind dann noch weitere an der SS-Führerschule ausgebildet worden, die als seine Vertrauten im BKA Stellen erhielten, insgesamt waren es 24 SS-Führer. Dickopf nahm für sich in Anspruch, ein Widerstandskämpfer geworden zu sein, nachdem ihn die Militärische Abwehr in die Schweiz geschickt hatte. Das haben ihm auch die aufeinander folgenden Innenminister abgenommen. In der Schweiz konnte ich mit einer Sondergenehmigung geheime Akten einsehen. Die damaligen Untersuchungen gegen Dickopf machen klar, dass er ganz offensichtlich ein Doppelspion war. Es gibt eine Zeugenaussage, wonach er seine Berichte über die Vatikan-Botschaft nach Berlin weitergeleitet hat. Und es gibt eine ganze Reihe von weiteren Beweisen. Er hat in Lausanne bei François Genoud gewohnt, einem schweizerischen Nazi, der ihn auch nach dem Krieg weiter unterstützte – unter anderem 1968 bei der Wahl zum Interpol-Präsidenten. Dieser Genoud hatte nach dem Krieg auch Verbindungen zu arabischen Staaten, die er beeinflusst haben soll, für Dickopf zu stimmen.
Sicher ist auch, dass Dickopf in der Schweiz über eine Reihe von falschen Papieren verfügte, über Geldmittel, die ganz eindeutig mit seiner Aufgabe für die Abwehr zusammenhingen. Kurz vor Toresschluss, im Januar 1945, hat er sich dann mit der US-Gesandtschaft in Bern in Verbindung gesetzt und scheinbar sein Wissen offenbart, wobei er gar keine Namen nannte, sondern nur Organisationsstrukturen schilderte. Das hat aber ausgereicht, dass er sich bei den Amerikanern als Fachmann für die Kriminalpolizei Vertrauen erwerben konnte und zumindest bis 1951 Mitarbeiter des CIA wurde. Auf diese Weise wurde er dann zunächst im BMI für den Aufbau des BKA zuständig, ab 1952 war er Vizepräsident und ab 1965 Präsident des Amtes.
Wie hat man beim BKA und bei den politisch Verantwortlichen auf das Buch reagiert?
Die PDS hat im Bundestag kurz nach Erscheinen des Buches eine Anfrage gestellt. In der Antwort der Bundesregierung finden sich die Sätze: "Das BKA hat keine nationalsozialistische Vergangenheit. Es ist im Jahre 1951 gegründet worden."[2] Wenn ich das bei Veranstaltungen zitiert habe, gab es immer ein hämisches Lachen. Mein Verlag Kiepenheuer und Witsch schlug damals vor, beim BKA und unter dessen Regie eine Podiumsdiskussion zu veranstalten. Die Antwort lautete, das sei nicht die geeignete Methode, die Sache zu erhellen. Das war im Jahre 2001. Letzten Endes hat erst Jörg Ziercke, der 2004 das Präsidentenamt antrat, mit dieser Linie gebrochen. Dass es ihm ein Anliegen ist, die Geschichte der Polizei unter den Nazis aufzuarbeiten, hat er schon in Schleswig-Holstein gezeigt. Er sorgte dafür, dass vor einem Polizeigebäude, das früher eine Gestapo-Dienstsstelle war, ein Denkmal errichtet wurde. Und er hat auch ein Buch über die Tätigkeit der Polizei des Landes während der NS-Zeit initiiert.[3]
2007 veranstaltete das BKA auf Zierckes Initiative drei Kolloquien unter dem Titel "Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte." Wie bewerten Sie die?
Dass Ziercke es damit ernst meinte, davon bin ich überzeugt. Das zeigte sich an seinen eigenen Beiträgen. Auch dass er Leute wie Romani Rose vom Zentralrat der Sinti und Roma einlud, schien mir keine Alibi-Übung, denn der war ja kein bequemer Redner, sondern hat sehr eindeutig dargestellt, wie man mit Sinti und Roma unter den Nazis, aber auch noch in der Nachkriegszeit umgesprungen ist. Ziercke lehnte allerdings meinen Vorschlag ab, die aktuellen Menschenrechtsverletzungen im Alltag der internationalen Verbrechensbekämpfung auf die Tagesordnung zu setzen mit der Konsequenz, dass weiterhin Folterregime mit millionenschwerer Polizeihilfe durch das BKA unterstützt werden.
Eine andere Frage ist außerdem, wie die BKA-Abteilungs- und Referatsleiter und schließlich auch die 5.000 Bediensteten auf so etwas reagieren. Während des Kolloquiums sagte Ziercke, alle Abteilungsleiter hätten das gebilligt. Ich bezweifle jedoch, dass die Mehrheit der BKA-Leute diesem Thema gegenüber aufgeschlossen ist. Während und nach den Kolloquien waren da auch ganz andere Töne zu hören – teilweise auf Stammtischniveau: Man hätte das Geld auch anders ausgeben und eine Fortbildung machen können. Jemand hat geschrieben: Dies ist nicht mehr mein BKA. Völlig unverständlicherweise hat auch die Gewerkschaft der Polizei Ziercke vorgeworfen, das Amt unter einen Nazi-Generalverdacht zu stellen. Das ist völlig blamabel für eine Gewerkschaft, die unter den Nazis Schlimmes erlitten hat und auch in den ersten zwanzig Jahren des BKA unter den "Charlottenburgern" keinen Boden unter die Füße bekam.
Die Präsenz der "Charlottenburger" und anderer Seilschaften im Amt zeigt zunächst die personelle Kontinuität zur NS-Zeit. Wie sah das bei der Organisation und den Arbeitsformen aus?
Ich habe ja auch die Akten des Kriminalpolizeiamtes der Britischen Zone ausgewertet, das eine Vorstufe des BKA war und dessen Mitarbeiter alle übernommen worden sind, einschließlich von 80 ehemaligen Angehörigen des Reichskriminalpolizeiamtes. Rolf Holle, der Leiter des Grundsatzreferates war, hat dort innerhalb eines halben Jahres Richtlinien zu allem möglichen erstellt: über Falschgeld, über Fahndung, über Meldedienst, Erkennungsdienst und so weiter. Ich habe mich gefragt, wie das möglich war, in so kurzer Zeit das alles im Detail zu regeln. Erst als ich die entsprechenden Richtlinien des RKPA prüfte, wurde mir klar, dass er die neuen Richtlinien einfach da abgeschrieben und nur die Nazi-Terminologie und vor allem die Konzentrationslager rausgelassen hatte.
Beim BKA ging das weiter. Dickopf hat häufig gefragt: Wie haben die das denn früher, also im RKPA, gemacht? Und so wie früher wurde dann auch verfahren. Man übernahm alle möglichen Richtlinien bis hin zu Formularen. Der Personenschutz der Sicherungsgruppe wurde nach dem Muster des Reichssicherheitsdienstes aufgebaut. Das BKA war ein Abklatsch des RKPA in Bezug auf die Vorschriften und vor allem in Bezug auf die Organisation. Man findet im Organisationsschema des BKA alle wichtigen Gliederungen des RKPA wieder, das ja das Amt V des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), der Terrorzentrale in der Prinz-Albrecht-Straße, gewesen war.
Allerdings verfügte das BKA nicht über die zentralistischen Kompetenzen des RKPA.
Dickopf hat zwei politische Ziele nicht erreicht: die Weisungsbefugnis gegenüber den Ländern und die uneingeschränkte Ermittlungsbefugnis der Zentralstellen, die das RKPA bzw. die Organisation der Kripo im Nationalsozialismus kennzeichneten. Diese beiden Punkte waren wegen des Grundgesetzes und vor allem wegen des Widerstandes der Länder nicht durchsetzbar. Noch 1971 haben Dickopf und Holle eine Broschüre herausgebracht – "Das Bundeskriminalamt" – und das Fehlen dieser beiden Elemente kritisiert. Dort findet sich auch der Satz, dass die Sicherheitspolizei nicht deshalb schlecht und verdammenswert gewesen sei, weil sie zur Zeit der Naziherrschaft das Licht der Welt erblickt hat.
Die vorbeugende Verbrechensbekämpfung und das Bild vom Berufs- und Gewohnheitsverbrecher bildeten seit den 20er Jahren den Kern der scheinbar unpolitischen, professionellen Ideologie der Kriminalpolizei. In der NS-Zeit zeigte sich aber gerade hier die Einbindung in die Vernichtungsmaschinerie.
In der NS-Zeit ist das eindeutig so. Die mehrere hundert Seiten starke Erlasssammlung des RKPA zeigt das ganz klar. Die BKA-Schriftenreihe – die auch dem Vorbild des RKPA folgte – und Vortragsreihen befassten sich in mehreren Publikationen mit Fragen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Eine von 1962 heißt: "Der Berufs- und Gewohnheitsverbrecher". 1964 gab es auch eine Arbeitstagung zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Die wollte man wieder aufgreifen – einschließlich der Sicherheitsverwahrung, wobei man diskutierte, ob dafür überhaupt eine richterliche Entscheidung notwendig sei, weil doch nur die Kripo über den polizeilichen Sachverstand verfüge. Leute wie Niggemeyer hatten für "Berufs- und Gewohnheitsverbrecher" KZ-Haft im Kopf und wollten es jetzt Sicherheitsverwahrung nennen. In der Realität konnte das nicht umgesetzt werden. Unter dem Titel vorbeugende Verbrechensbekämpfung lief insbesondere die Verfolgung von Sinti und Roma – unter den Nazis hießen sie Zigeuner, in den 50er und 60ern wurden sie dann umgetauft in "Landfahrer". Ein BKA-Referatsleiter namens Dr. Josef Ochs, der im RKPA an der Stelle saß, die die Vorbeugungshaftbefehle gegen "Zigeuner" ausstellte, machte sich Mitte der 50er Jahre auf einer BKA-Tagung dafür stark, diese "notorischen Verbrecher" stringenter zu verfolgen.
Der Mythos des unpolitischen kriminalistischen Handwerks spielt auch in der internationalen Zusammenarbeit eine Rolle, wo das BKA seit langem eine große Bedeutung hatte.
Das zeigt sich daran, dass man auch heute wie in der Dickopf-Ära an Menschenrechtsverletzungen keinen Anstoß nimmt, wenn es um die internationale polizeiliche Zusammenarbeit geht. Eine deutsche Polizeibehörde, die die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus verstanden hat, müsste auch sensibel sein für die Rolle der Polizei in Diktaturen in anderen Regionen der Welt. 106 von 186 Interpol-Mitgliedstaaten, mehr als die Hälfte also, foltern und misshandeln, davon über 80 systematisch. Systematisch heißt, dass Folter und Misshandlung seitens der Regierung des jeweiligen Staates entweder toleriert oder gar angeordnet werden. Für mich ist es unbegreiflich, dass das BKA dem in der Zusammenarbeit nicht Rechnung trägt. Das war eines der wichtigsten Motive für mein neues Buch.
1969 hatte das BKA etwa 900 Mitarbeiter. Heute hat es 5.000 und außerdem viel mehr Befugnisse. Ist es nicht so, dass das Amt unter den "Charlottenburgern" über das Ideologische hinaus kaum eine Rolle spielte?
Herold hat beklagt, das BKA sei, als er es 1971 übernommen hat, eine bloße Briefkastenbehörde gewesen, die ein Fahndungsbuch herausgab, das schon beim Erscheinen überholt war, wo ein Meldedienst existierte, der keine sinnvollen Ergebnisse lieferte etc. In der Tat war man um den Kreis der ehemaligen Nazi-Täter bestrebt, keine Außenwirkung zu haben. Man wollte nicht auffallen. Man duckte sich weg, um Ermittlungsverfahren, die ja immer wieder auftauchten und Leute aus dem Amt gefährdeten, mit heiler Haut zu überstehen und dann in Ruhestand zu gehen. Dickopf hatte seine Schäfchen unter sich – auch in der Weise, dass die sich gegenseitig nicht belasteten, dass sie gedeckt und auch aus der Schusslinie genommen wurden, indem man sie, wie in einem Fall, kurz zum Statistischen Bundesamt abordnete und dann später wieder zurückholte. Aber zum Schluss sind sie alle befördert worden.
Die Sicherungsgruppe spielte da eine andere Rolle. Erstens waren die ja räumlich getrennt in Bad Godesberg, später in Meckenheim. Und zweitens wurden Leute rekrutiert, die sich selbst als Verteidiger des westlichen Gedankenguts und den Feind wie auch früher im Osten sahen. Das ging praktisch gegen alles, was links von deren eigener Sichtweise war. Die Sicherungsgruppe hat sich besonders in der Bekämpfung von "Spionen" darin gefallen, eine Außenwirkung zu haben.
Die Mehrheit der "Charlottenburger" ging bis Anfang der 70er Jahre in Ruhestand, mit satten Pensionen – im Gegensatz zu den Opfern, wenn sie überlebt hatten. Mit Herold begann eine neue Ära. Das BKA sollte nun nicht mehr kleckern, sondern klotzen, es hat dann einen bis dahin ungekannten personellen Zuwachs gehabt. In seiner Antrittsrede stellte Herold zwar die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als Schwerpunkt dar. Dazu ist er nicht gekommen, was er immer bedauerte. Er wurde sofort in den Strudel der RAF-Bekämpfung reingerissen. Die hat er auf eine Weise betrieben, die seiner Fähigkeit, strategisch und technisch zu denken, entsprach. Das betraf insbesondere die Datenverarbeitung. Die Kritik an seiner Person, aber auch seine Verdienste und die entwürdigende Behandlung nach seinem Rauswurf habe ich in seiner Biografie beschrieben.
War die Tradition der alten Nazi-Seilschaften nach dieser Wende im BKA noch spürbar?
Das ließe sich nur durch betriebssoziologische Untersuchungen zuverlässig beantworten. Ohne Zweifel folgte der Nachwuchs in der Justiz den aus der Nazi-Zeit belasteten Ziehvätern, was sich an freisprechenden Urteilen und Verfahrenseinstellungen ablesen lässt. Herold hat sich mehrfach sehr kritisch über den Geist der BKA-Abteilungsleiter geäußert, die er sinngemäß als eine ihm feindlich gesinnte Mafia empfand. Ich habe in den 80er Jahren insgesamt einen autoritären Führungsstil, rechtslastige Aufgabenerfüllung und ein reaktionäres Klima im Amt erlebt, das sich auch in Witzen und Anekdoten niederschlug. Da kam ein Referatsleiter aus dem Bereich Terrorismus aus Frankreich zurück, wo eine Frau aus dem Randbereich des Terrorismus festgenommen worden war. Der erzählte dann bei einer Tasse Kaffee: Die XY wollte nicht mal sagen, wie sie heißt. Da hat ihr der französische Kollege mal in die Fresse gehauen, und dann hat sie das plötzlich wieder gewusst. Man merkte, dass er zwar selbst nie so handeln würde, aber er fand das ganz wirkungsvoll und gut. Nach meinen Eindrücken aus dieser Zeit wirkte das alte Gedankengut weiter. Einen Beweis, in welchem Umfang das der Fall war, habe ich natürlich nicht, denn nicht ohne Grund wurden mir die Akten verweigert. In solchen steht zum Beispiel – wie ich später erfuhr – dass das Bundeskanzleramt das Bundesinnenministerium anwies, sich vor solche "alten Kameraden" zu stellen, die wegen ihrer Nazivergangenheit in die öffentliche Kritik geraten waren.
Die Mauer des Schweigens war ein halbes Jahrhundert Regierungspolitik. Ich bin nicht der Auffassung, dass heute noch im BKA der Geist alter Nazis weht. Vielmehr verhinderte ein Korpsgeist innere Demokratie. Sich schützend vor solche Mitarbeiter zu stellen, geschah mit zudeckender Loyalität und hat denselben Ursprung wie die Ignoranz gegenüber Folter in der internationalen Verbrechensbekämpfung. Damit macht sich das BKA zu stillen Komplizen von Folterern, auch wenn es selbst niemals Folter anwenden würde.
Dass nunmehr der renommierte Historiker Prof. Patrick Wagner den Auftrag erhalten hat, die Kontinuitäten aufzuspüren, begrüße ich sehr. Hoffentlich erhält er die Akten in den BKA-Abteilungen, die Präsident Ziercke geöffnet haben will.
Erstellt: 09.07.10, 15:55 Betreff: Re: Polizei mit SS-Totenkopf auf Uniform !!!druckenweiterempfehlen
Oh man. Das tut mir ja schon in der Seele weh. Wie schnell mit der Feder vorurteilsbehaftet gerichtet wird. Fehlt nur noch das obligatorische A.C.A.B !
Erstellt: 09.07.10, 17:21 Betreff: Re: Polizei mit SS-Totenkopf auf Uniform !!!druckenweiterempfehlen
Zitat: fahnenflucht
Oh man. Das tut mir ja schon in der Seele weh. Wie schnell mit der Feder vorurteilsbehaftet gerichtet wird. Fehlt nur noch das obligatorische A.C.A.B !
A.C.A.B.ALL COPS ARE BEAUTIFUL
... ich tue was Linke tun, Ungerechtigkeit bekämpfen! von Yossi Wolfson