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bjk
Beiträge: 7353
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Erstellt: 16.01.05, 18:26 Betreff: Re: USA - Brutstätte gemeingefährlichen fundamentalchristlichen Irrsinns |
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hab gegoogelt und siehe da, hier ist der Spiegel-Artikel
DIE ACHSE DER FROMMEN
Lebt denn d'r alte Darwin noch?
Von Jochen Leffers
An US-Schulen tobt ein erbitterter Kulturkampf um die richtige Lehre. Bibeltreue Christen würden Darwins Evolutionskunde am liebsten ganz aus dem Unterricht verbannen und allein die Schöpfungsgeschichte gelten lassen. Durchaus listig und trickreich ringen die "Kreationisten" um Einfluss auf die Schulen.
Diese Woche sind Amerikas fundamentalistische Christen mit dem Herzen in den Klassenzimmern von Dover County. Denn dort wird Schulgeschichte geschrieben. Stellvertretend ficht der kleine Schulbezirk in Pennsylvania einen Kampf aus, der die US-Schulen schon seit geraumer Zeit beschäftigt und noch lange beschäftigen wird: der Kampf gegen die Evolutionslehre von Charles Darwin.
Im School Board von Dover County haben die Darwin-Gegner die Oberhand. Ihr Entschluss: Den knapp 3000 Schülern darf die Evolutionslehre, Fundament der modernen Biologie, nur noch mit Warnhinweisen verabreicht werden. Es handele sich um eine mit "Lücken und Problemen" behaftete Theorie - um "kein Faktum". Seit Anfang des Jahres gilt ein neuer Lehrplan. Nun müssen die Biologielehrer ihren Schülern als alternative Erklärung für die Entstehung der Arten auch das "Intelligent Design"-Konzept nahe bringen, das von einem höheren Wesen ausgeht, ohne explizit auf Gott oder Christentum zu fußen.
Überall in "God's own Country" kämpfen bibelfromme Christen seit vielen Jahren verstärkt um Einfluss auf die Schulen. Für die Anhänger des so genannten Kreationismus, einer plumperen Variante des "Intelligent Design", lugt beim Unterricht über Urknall und Geophysik, über das Alter der Erde und Kosmologie, Kontinentaldrift und Plattentektonik sogleich der Teufel um die Ecke.
Am Anfang war das Wort
Evolution ist für die Kreationisten die Mutter aller Reizwörter. Nichts soll ihren Kindern den Glauben an die Schöpfungsgeschichte trüben, wie sie im Alten Testament geschrieben steht: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer", so erzählt es das erste Buch Mose. Und weiter: "Und Gott machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war."
Exakt so hat es sich zugetragen, das ist für die Kreationisten Gewissheit, nicht etwa durch Mutation und Selektion - Darwins Lehre hat da keinen Platz und ist in dieser Weltsicht nur eine Hypothese. Oder vielmehr: der falsche Glaube. Womöglich sogar: Gotteslästerung.
Dabei handelt es sich nicht etwa um die Auffassung einer überschaubaren Gruppe christlicher Eiferer, sondern um eine massive Bewegung gegen die vermeintlich gottlose Wissenschaft. Fruchtbaren Boden findet sie vor allem im "Bible Belt" im Süden der USA, wo fundamentaler Protestantismus die Kultur und die Wertvorstellungen prägt.
So fragten Meinungsforscher vom Gallup-Institut im November 2004 nach den Ursprüngen des Lebens. Ein Drittel der US-Bürger sagte, die Evolutionslehre lasse sich wissenschaftlich belegen - ebenso viele verneinten das. 45 Prozent der Erwachsenen glauben, dass Gott den Menschen innerhalb der letzten 10.000 Jahre geschaffen hat. Und weitere 37 Prozent vertraten die Ansicht, dass eine göttliche Initiative am Anfang allen Seins war und die Evolution in Gang setzte. Lediglich zwölf Prozent meinten, die Menschheit entwickelte sich ohne Gottes Hilfe.
Beistand vom Präsidenten
Anderen Umfragen zufolge unterstützt ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung die komplette Streichung der Evolutionslehre aus den Schulbüchern und ihre Ersetzung durch die Schöpfungsgeschichte. Diese Maximalforderung durchkreuzten allerdings die Gerichte - juristisch ließ sich die Verbannung Darwins nicht durchsetzen, denn die US-Gesetze sehen eine strikte Trennung von Kirche und Staat vor. Ihre schwerste Schlappe erlebten die Fundamentalchristen 1987: In Louisiana hatten die Kreationisten ihre Lehre zur Wissenschaft erklärt - doch sie diene religiösen, nicht wissenschaftlichen Zwecken und habe an den Schulen nichts zu suchen, urteilte das Oberste Gericht.
Folglich mussten die Kreationisten ihren Kurs ändern - mit dem Versuch, die gleichberechtigte Unterrichtung von Evolutionslehre und biblischer Schöpfungsgeschichte durchzusetzen. Ihr prominentester Fahrensmann: Präsident George W. Bush, der stets vor dem Wind der religiösen Rechten segelt und sich schon im Wahlkampf gegen Al Gore für die Genesis als Lehrstoff stark machte, wie einst Ronald Reagan Anfang der achtziger Jahre.
Für bessere Erfolgsaussichten im Kultur- und Glaubenskampf brauchten die Anhänger einer wörtlichen Bibelauslegung einen den juristischen Sperren angepassten Theorie-Überbau. Und fanden ihn im "Intelligent Design" (ID). Zu den Wortführern zählen der Biologieprofessor Michael Behe aus Pennsylvania sowie Philipp Johnson vom Discovery Institute in Seattle, das vorwiegend durch Spenden christlicher Organisationen finanziert wird.
"Jenes höhere Wesen..."
Die ID-Verfechter argumentieren für ein "theistisches Naturverständnis" und legen doch die Bibel scheinbar zur Seite. Sie streiten nicht ab, dass das Universum Jahrmilliarden alt ist und manche Arten vergehen, andere neu entstehen. Aber nach ihrer Denkrichtung sind die biologischen Organismen und Systeme zu komplex, können daher nicht Schritt für Schritt im Zuge der Evolution entstanden seien. Deshalb vermuten sie dahinter eine übernatürliche Intelligenz, eine Art Bauplan des Lebens - und hüten sich vor allen religiösen Bezügen.
Die Theorie vom "Intelligent Design" erinnert an Heinrich Bölls gute alte Satire "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen": Von Zweifeln gezwickt besteht ein Kulturpapst darauf, dass jede Erwähnung Gottes aus seinen Rundfunkvorträgen geschnitten und ersetzt wird durch die Formulierung "Jenes höhere Wesen, das wir verehren". Genau 27 Mal. Auch die Vertreter des "ID" vermeiden tunlichst die Erwähnung Gottes und sprechen allenfalls von einem höheren Wesen, einer gestaltenden Hand.
Die der Marsianer werden sie damit kaum meinen. Längst hat sich eine Gegenbewegung zorniger Naturwissenschaftler formiert, die dem Herumrütteln an allen zentralen Erkenntnissen der modernen Forschung Einhalt gebieten wollen. Und ohnedies nicht nachvollziehen können, warum Evolution und Religion sich ausschließen sollen. Für ihr Erkenntnisgebäude braucht etwa die Biologie keinen Gott. Ob es ihn gibt oder nicht, bleibt demnach für die Evolution ohne Belang - die These von der Existenz Gottes lässt sich weder verifizieren noch falsifizieren. Sie ist eben eine Frage des Glaubens.
Wissenschaft indes ist für die aufgebrachten Forscher mehr als nur Ansichtssache. Auch in ihr zeigt sich das evolutionäre Prinzip gleichsam als schöpferisches Element - weil nur die tauglichsten Ideen Jahrzehnte oder Jahrhunderte überdauern. Darum hat Wissenschaft sich stets im Diskurs, in Theorie wie Empirie zu behaupten. Genau davor drücke sich "Intelligent Design" und sei mithin nicht mehr als ein dürftiges akademisches Deckmäntelchen für die Überzeugungen der Bibelfrommen, monieren die Kritiker: ein "Kreationismus light", Wissenschaftsfeindlichkeit unter der Tarnkappe der Wissenschaft. Eine absurde Mogelpackung also. Die "Neue Zürcher Zeitung" spottete gar über die "Talibanisierung des Biologie- und Wissenschaftsunterrichts".
Good old Europe is not convinced
Das Schulwesen der USA ist basisdemokratisch organisiert, die School Boards werden von den Bürgern direkt gewählt. In über 30 der 50 Bundesstaaten wird derzeit gerichtlich um die richtige Lehre an den Schulen gerungen. Auch die religiösen Aktivisten geraten unter Druck. So hat die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU ihre Anwälte in Marsch gesetzt, um die Schulen in Dover, wo Bush bei den letzten Wahlen eine satte Zweidrittel-Mehrheit erhielt, vom "Intelligent Design" als Alternativ-Lehrstoff abzubringen. Auf einen juristischen Clinch um Darwins Lehren bereiten sich längst auch andere Schulbezirke vor: Ob Pennsylvania oder Ohio, Michigan oder Missouri - überall flammt der gleiche Konflikt auf.
Die Achse der Frommen reicht bis nach Europa. Dort ist die Strömung des Kreationismus zwar schwächer, aber doch spürbar. So sollte durch Italiens Schulen ein neuer, katholischerer Geist wehen: Im April 2004 versuchte Bildungsministerin Letizia Moratti, aus den Lehrplänen für die Grund- und Mittelstufe das Kapitel Evolutionslehre zu tilgen - denn das halten manche Regierungsvertreter lediglich für eine "linke Theorie". Moratti scheiterte allerdings. Massive Proteste von Nobelpreisträgern und italienischen Bürgern brachten die Geschichte der Arten zurück in die Schulen.
Ähnlich geschah es in Serbien: Auch dort verstand die Bildungsministerin die Bibel als wissenschaftliches Werk und verlangte, das erste Buch Mose auf eine Stufe zu stellen mit den Darwinschen Lehren - denn beides sei gleichermaßen "dogmatisch". Nach großer öffentlicher Empörung machte die Regierung dies im vergangenen September rückgängig. "Darwin lebt noch", so der stellvertretende Bildungsminister.
Deutsche Forscher beschäftigt "Intelligent Design" bis dato eher am Rande. Und Schulpflicht wie die Gestaltung der Lehrpläne sind in Deutschland klar geregelt. Schwer vorstellbar, dass Fundi-Christen Einfluss auf die Lehrpläne an öffentlichen Schulen nehmen könnten - allenfalls an Privatschulen, die aber stets vom Staat genehmigt werden müssen. Indes mehren sich die Fälle von Schulverweigerung aus religiösen Gründen. Mehreren Schulbehörden machen hartnäckige Boykottversuche zu schaffen: etwa bei der urchristlichen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" in Bayern oder bei einer Gruppe von Baptisten in Paderborn, die 15 Kinder nicht mehr zur Schule schicken.
[editiert: 16.01.05, 18:40 von bjk]
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