Vormittag. Spätsommer. Die Luft war so klar dass es fast weh tat. Shellé ließ ihren Blick schweifen. Sie kniff die Augen zusammen. Es war so unglaublich hell, zu hell. Der Morgen, die Zeit der Menschen. Sie war eine Kaldorei, stand inmitten ihrer Hauptstadt und begann sich zu wundern, warum sie so zeitig erwacht war. Sie hatte dieses innere Bedürfnis gehabt, hinauszugehen, die Stadt zu sehen, wach zu sein. Nun machte sie all das unsicher. Ihre Gedanken waren unruhig, tanzten in ihrem Kopf, schlugen beinahe Salti. Was hatte sie getan? Was hatte sie gesagt, zu den ihren? Es war erst wenige Tage her. Sie hatten an der Dunkelküste beieinander gesessen, die Mondkinder und sie. Die Isera Duna war ihre Aufgabe gewesen, sie hatte viel dafür gegeben. Und doch hatte sich mit der Zeit dieses Gefühl in ihr breit gemacht. Die ihren wurden nachlässig... verloren das Ziel aus den Augen. Und Shellé spürte dass ein ähnliches Schicksal ihr selbst drohte. Das Ziel aus den Augen verlieren. Was war eigentlich ihr Ziel? Shellé war so sehr beschäftigt gewesen, sich um Angelegenheiten der Isera Duna zu kümmern. Die Bilder tobten vor ihren Augen. Duskarion und der Dämon der in ihn gefahren war. Luthién, deren Tod Shellé zu verstehen versucht hatte. Shadia, die in Eisenschmiede für Aufruhr gesorgt hatte und für die Shellé mehr als ein gutes Wort einlegen musste. Und hunderter Momentaufnahmen dazwischen. Shellé selbst war so jung ... und die Zeit war gegen sie. Die Unsterblichkeit war vorbei. Shellé würde nicht ohne Weiteres so alt werden können wie ihre eigene Mutter... tausende von Jahren... Die junge Kaldorei versucht sich zu erinnern. Was hatte sie für sich getan? Wann hatte sie Zeit für sich gehabt? Hatte sie sich persönlich weiterentwickelt, oder gar zurück? Wer war sie geworden? Die Anderen kannten sie,doch sie kannte nicht sich selbst. Sie wollte eine Anführerin sein, doch konnte man eine Anführerin sein ohne selbst genau zu wissen wer man ist? Und was man will? Shellé liebte es, konsequent zu sein. Doch war sie es wirklich?
"Mutter!" Eine klare, helle Stimme erklang. Die Stimme Elyanns. Shellé wirbelte um und sah ihre Tochter vor sich, die silbrigen Haare noch ein wenig zerzaust, der Blick schläfrig und doch aufgebracht. So sah sie ihr Kind selten. Elyann war ein Musterbild guter Erziehung, ruhig in Gegenwart Fremder und selbst vor ihrer Mutter wahrte sie die Distanz. Doch die Tochter spürte was in ihrer Mutter vorging, oder zumindest, dass irgendetwas vorging.
"Du bist so früh wach... ich war verwundert!"
"Ja..." Shellé warf einen nachdenklichen Blick auf ihre Tochter.
"Gehen wir heute?"
Shellé zögerte. Dann nickte sie und ließ den Blick etwas schweifen, er ruhte nun knapp neben Elyann. "Ja... wir gehen heute."
Sie atmete tief aus und sah in die Runde. Ihr Blick blieb an jedem Gesicht eine Weile hängen. Mevia, ihre getreue Mitdenkerin. Sie war da gewesen am ersten Tag, zur Gründung der Isera Duna. Und sie war jetzt noch hier. Ihr Blick war ruhig. Wie sooft. Und das war es, was sie Shellé gab. Ruhe. Sicherheit. Das Wissen, dass stets jemand hinter ihren Ideen stand.
Gritesque, die Freundin aus ihrer Kindheit. Irgendwann war sie wieder da gewesen und hatte die Vergangenheit mit sich gebracht. Und das war es, was sie Shellé gab. Erinnerungen und deren Stärke, Erinnerungen an die Zeit zu der alles möglich war. Erinnerungen die einen auch jetzt dazu antreiben konnten, das Unmögliche erreichen zu wollen.
Iladria, die junge Schurkin, die anfangs scheinbar zu Shellé aufgesehen hatte und stets einen gewissen Beschützerinstinkt in der kühlen Anführerin hervorgerufen hatte. Iladria blickte ihr in die Augen und Shellé spürte kurz wie ihre Hand zuckte. Und das war es was Iladria ihr gab. Ein Gefühl, eine Regung und das Bewusstsein dafür dass es nicht immer um den logischen Verstand ging.
Und Elyann, ihre Tochter die sie gerade erst wieder zu sich geholt hatte und die ihr schon so bedingungslos folgte. Sie war gerade zu perfekt. Ein Ebenbild Shellés. Von außen. Das silberne Haar, die blasse Haut, der forsche Blick. Von innen. Die Distanz, die Bereitschaft zu kämpfen, die Disziplin. Shellé hatte nicht danach gefragt und doch hatte Elunes es ihr gegeben. Eine Tochter.
Shellé nickte ruhig und hob ihre schmale Hand, Sashael ein Zeichen gebend. Die silbergraue Katze trottete los, selbst er wusste genau worum es ging.
Das Ziel wiederfinden. Klarheit erlangen. Und vorbereitet sein auf alles, was kommen möge. Sie setzten sich in Bewegung und hinter ihnen verschwanden die Häuser hinter dem Horizont. Die Luft wurde reiner und die Bäume dichter. So sollte es sein.
ooc: Ich habe meinen kleinen Abschiedsbeitrag mal hier eröffnet und nicht im Realmforum, weil ich denke, dass die meisten, die es interessieren wird, doch hier sind.
Wie ersichtlich wird haben sich ein paar von uns nach langem inneren Ringen zum Transfer entschieden... ich werde ab und an mit einem Twink hier sein,denke ich,für die anderen kann ich nicht sprechen. Der Mithrilorden wird immer eine gewisse Heimat für mich bleiben, aber Shellé konnte ich hier nicht mehr entfalten.
Ich danke aber für die schöne Zeit mit Euch allen..mit jedem Einzelnen mit dem ich mal Rp hatte. :)