Juan geht wieder fischen
Es war ein tag wie jeder andere. auf einer kleinen, kargen insel im westlichen mittelmeer...sie sitzen mit gekreutzten beinen auf steinigem boden. den blick aufs meer, blau, bis hin zum dunstgrauen schattenriß der isla vedra. im rücken ein ungeheuer aus beton und eisernen gräten, fortschritt genannt. in rissigen händen ein fischernetz, engmaschige tradition.
A: sie haben uns die luft genommen.
B: sie haben maschinen gebracht.
A: sie haben uns die stille genommen.
B: sie haben arbeit gebracht.du weißt,noch vor jahren-
A: ich weiß, arbeit. arbeit sogar für die handwerker aus andalusien und für geschäftsleute aus dem norden. Sie haben unser land genommen.
B: gekauft.
A: gut, gekauft. Und mauern drumherum gezogen. Zuviel neues, zu viel technik. Das bedrückt mich.
B: ich sah dich lachen, gestern nach gutem fang, im fernsehen kämpften drei engel für charlie. Auch das ist neu, ist technik.
A: ja, ich habe gelacht, war trotzdem traurig. Sie haben uns, versteh, das wesentliche genommen und unwesentliche dinge gebracht. Warum können wir es nicht wie sie machen, das, was sie wollen, in kisten packen und ihnen zuschicken?
B: die sonne? Die pinien? Den duft von thymian und rosmarin? Den strand? Das blau des meeres? Das licht über den salinen? Die trachten der alten frauen? (wird unterbrochen. Eine urlauberin im bikini erhebt sich aus der nachempfundenen hocke der fotoprofis, sagt halblaut und zögernd „gracias“ und dann zu ihrem begleiter: „die merken nichts, die kümmert nichts, das sind noch echte fischer“.)
A: sag, wer rief sie denn die vielzuvielen?
B: wir.
A: wir. Warum?
B: sie sollten uns unabhängig machen von unsicherem fischfang, von mageren ernten, vom dienst auf fremden schiffen.
A: nun sind wir abhängig von ihnen.
B: und von unserer bequemlichkeit.
A: jetzt haben wir unsere ängste. Letzte nacht am rand der mola, unterm vielspeichigen lichtrad des leuchtturms, sah ich eine seemöwe auf nahrungssuche. Die tauchte ins meer. Das wasser, wie flüssiges blei, hielt sie gefangen. Verstehst du das?
B: ein traum, ein böser traum, sonst nichts.
A: sie haben unsere träume verändert. Sie werden, wenn`s weiter so geht, unser denken verändern.
B: jaja, wie`s vor ihnen die besucher taten. Die phönizier, die sarazenen, die mauren, die wandalen, die normannen und die männer aus aragon. Wie schon seit dreitausend jahren.
A: die sind wieder gegangen.
B: oder wie wir geworden. Es ist igual. Gleichgültigkeit hilft uns, toleranz ist die einzig große kraft einer kleinen insel.
A: du sagst: igual igual. Alles ist gleich ? nichts ändert sich?
B: doch ständig: juan hat seine strandbar verkauft, juan geht wieder fischen.
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von niklaus schmid aus der mappe "gregal"