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Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur

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Gast
New PostErstellt: 14.02.06, 00:27  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Hab erst in ein paar Tagen (vielleicht aber auch schon morgen) wieder Zeit:
Aber kurz
Zitat."Was an "1+1=2" ist logisch?"

Das ist "=" und das "+" sind junktoren (in der Aussagenlogik werden sie aber zum Bsp. nicht verwendet, da gibt es fünf andere Junktoren - "daraus folgt", "nicht", "genau dann wenn", "und" (nicht mit der Addition verwechseln), "oder" (steht dem math. plus näher als der Begriff und) ) - junktoren werden eindeutig definiert - das verwenden eindeutig definierter Junktoren ist (formales - wobei alle anderen Logiken halt keine Logiken sind - ) logisches Verfahren. Die "Inhalte definierenden" Symbole wie 1 und 2 kann man frei-logisch (ein subvariante der Metalogik) zwar axiomatisch herleiten (ich hab das für die natürlichen Zahlen hier schon anderswo geschildert), sind aber für die logische Richtigkewit unwichtig - also 1+1=3 ist aussagenlogisch richtig konstruiert (das heist jetzt nicht wahr) aber axiomatisch bezüglich der Symbole falsch, wohingegen 131+= logisch falsch verwendete Junktoren darstellen. DIe Logik stellt sich also die Frage bezüglich zur Mathematik, wie denn eine mathe. Formel oder Ausprägung grundsätzlich ausschauen darf (und bildet dann Junktorenaxiome für die entsprechenden MAthematiken - wobei z.B. für die Boolesche andere Gelten als für die klassische Arithmetik), wie also ihre Junktoren und Symbole verkettet werden dürfen und auch mit welchen Inhalten sie gefüllt sein dürfen, sie frägt aber nicht ob die dann verwendeten Inhalte zueinander passen (bei Zahlen liegt eine gewisse Ausnahme vor - anders als Worte und Morpheme lassen sich metalogisch konstruieren (wobei es dann zu vielen verschiedenen allklassigen Zahlenmöglichkeiten kommen kann - kein allklassige Zahlenwelt kann einer anderen vorgezogen werden - nebenbei: dezimale und binäre Zahlen gehören zur selben allklassigen Zahlenwelt, sind nur zwei verschiedene Ausdruckmöglichkeiten für ein und dasselbe; es liegt be ihnen also Identität vor)).
Also 1+1=2 ist in Bezug auf sein Ergebniss Logisch indifferent
aber zu sagen wenn "1+1=2 ist, dann ist 2-1=1" ist vollkommen logisch.
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soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 14.02.06, 00:28  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Ich will dir ja in deiner Analyse nicht widersprechen, dass starre Systeme die ganze Komplexität nicht begreifen können.

Aber zu deinem Beispiel möchte ich nur anmerken,
1. dass dein System auch mit zwei Komponenten wunderbar funktionieren könnte, nur dann noch weniger komplex wäre.
A: Ich fühle mich gesund
B: Ich sollte zum Arzt gehen.

  1. Ich fühle mich gesund, daher brauche ich nicht zum Arzt gehen.
  2. Ich fühle mich krank, daher sollte ich zum Arzt gehen.
Also hier gilt hier:
Wenn A, dann nicht B.
Wenn nicht A, dann B.

Oder:
A: Es ist Zeit für die Routineuntersuchung
B: Ich sollte zum Arzt gehen.

  1. Es ist Zeit für eine Gesundenuntersuchung, daher sollte ich zum Arzt gehen.
  2. Ich war vor kurzem bei der Gesundenuntersuchung, daher brauche ich nicht zum Arzt gehen.
Hier gilt also:
Wenn A, dann B.
Wenn nicht A, dann nicht B.

Das System mit den drei Komponenten macht das ganze zwar komplexer, ist aber hier nicht notwendig, weil bei dir A und B unabhängig voneinander zu C stehen.

Genauso könnte man vier oder fünf Komponenten einführen.

Aber was kommt hierbei heraus?
A: Ich fühle mich krank.
B: Ich kann arbeiten gehen.
C: Ich sollte zum Arzt gehen.
Hier wirken A und B in der Beurteilung von C seltsam konträr zueinander.

Um hier überhaupt irgendwelche Aussagen zu treffen benötigen wir konkretere Aussagen zur Krankheit, zum Arbeitsplatz, zu den Geldverhältnissen und auch dann ist das ganze eine Sollensangelegenheit.
Während wir in deinem Beispiel Fälle hatten, die auf alle Menschen unabhängig voneinander zutraf: Wenn A zutrifft/nicht zutrifft und/oder B zutrifft/nicht zutrifft dann sollte ich C machen /nicht machen.

Hier geht das nicht:
Wenn ich mich krank fühle, aber arbeiten gehen kann, jedoch der Arbeitsplatz gesichert ist, dann sollte ich zum Arzt gehen.
Fühle ich mich krank, kann zur Arbeit gehen, der ist zwar nicht gesichert, aber ich bin eh Millionär und arbeite am Spaß an der Freude, dann sollte ich auch zum Arzt gehen.
Aber: ich fühle mich zwar krank, brauche aber dringend meinen Arbeitsplatz, weil ich ein Haus gekauft habe, d.h. hochverschuldet bin, und eine Kündigungswelle steht vor der Betriebstür, so dass ich mir nicht leisten kann zu fehlen, daher werde ich auf jeden Fall zur Arbeit gehen können und nicht zum Arztgehen können.
Hier trifft nicht auf alle Menschen zu: Wenn A und B dann nicht C, oder so. Das ist alles durch die individuelle Realität geprägt. Hier kann die Form nicht einmal im Ansatz den Inhalt erfassen. Und das ist ein Fall, wo keine Mengen gebildet werden können, weil es auf jeden in seiner individuellen Situation trifft: du zystein + du zystein sind nicht 2 ihr zysteins, weil du singulär bist, so wie die Zwänge in der heutigen Welt auf jeden anders wirken und seine Probleme daher singulär sind.

Ich will gar nicht bestreiten, wie gesagt, dass das alles seinen Stellenwert hat, dass nicht auch Probleme gemeinsam sind (Bedrohung durch Entlassungen, Ausbeutung der Armen der Welt etc.) und dass hier gemeinsame Ansätze zur Beseitigung der Probleme angegangen werden können und sollen. Aber in diesem Verallgemeinernden dürfen die individuellen Situationen nicht übersehen werden. Geschieht dies, wird auch die Problemlösung unmenschlich.
Meine Kritik nun an Ines Bezeichnung basisdemokratischer Ideen als anarchistische ist, dass gerade die Zwänge es sind, die noch in gewissem Grade verallgemeinern und gemeinsame Lösungsansätze möglich sind. Aber in der Anarchie, wenn die Zwänge - zumindest tendenziell - sich auflösen, dann wird man in Bezug auf Menschen mit formalen Strukturen noch viel weniger arbeiten können, wie heute, weil des Individuum mehr in den Vordergrung tritt. Ein System, das das nicht leisten kann und/oder will, ist kein anarchistisches.

Die Form nun, du hast es selbst gesagt, verallgemeinert, weil es mit der Singularität nicht arbeiten kann. Also: eine Menge, die aus jedem einzelnen Wesen besteht, das, weil in seiner Singularität erfasst, nie mit anderen in einer Menge vorkommt oder nie Schnittmengen bildet, führt zu einem formalen System, das absolut aussagelos und damit sinnlos wird. Du hast auf einmal nahezu unendlich viele Gründe, warum jemand zum Arzt geht (und sei es die Ehefrau des Arztes, die ihn abholt, weil sie heute das Auto hatte). Du kommst zu der Aussage: Er/Sie geht zum Arzt, weil A und/oder B und/oder C und/oder .... zutrifft. Na toll. Irgendeinen Grund wird es schon haben, wenn jemand zum Arzt geht. Das hätte ich dann auch ohne komplizierte Theorie sagen können, nämlich durch einfaches logisches Denken.
Nur durch den singulären Fall kannst du klären, warum jemand nun zum Arzt ging. Erfährst du den singulären Grund, ist die Herleitung der unendlich vielen Gründe sinnlos, weil die Information die logische Aussagenherleitung nicht bedarf. Und erfährst du den Grund nicht, so ist alles soundso sinnlos, weil die Menge an Aussagen faktisch aussagelos ist.


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zystein


New PostErstellt: 14.02.06, 00:36  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Schön, mit dem eingangs Gesagten hast du definiert, in welcher Weise A oder B von C abhängen. Das war mit Prämissen "akzeptieren" gemeint.
Und Vorsicht: Die Negation von gesund im Booleschen Sinne ist
"nicht_gesund" und NICHT etwa "krank". Mag ja sein das für dich krank das GEGENTEIL von gesund ist, es ist aber - wie gesagt - nicht die Negation.

mit freundlichen grüssen
zystein


[editiert: 14.02.06, 00:41 von zystein]
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Gast
New PostErstellt: 14.02.06, 00:39  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Kleiner Nachtrag zu Hegel:
nach Kant (also auch bei Hegel) ging die Diskussion in Bezug auf Logik (die damals ja noch die sehr alte von Aristoteles war, und die - von einigen Kalvinistischen Spinnern abgesehen - von niemanden ernsthaft bezweifelt wurde) um ihre Ontologie bw. um die sie umgebende Phänomenologie.
Nach Kant ist die Logik ein a-priori vorgegebenes Kategorisierungssystem im mescnhlichen "Wahrhnehmungsapparat" (ich hoffe, dass jetzt kein Kantianer mich für diese sehr verdünnte Darstellung zur Rechenschaft ziehen wird), beziehungsweise der "reinen Vernunft" - also dessen was zwischen uns und den "Dingern an sich" steht und diese uns via Kategorien zugänglich macht (auch euklidischer Raum und voreinsteinsche Zeit gehören dazu aber halt auch die Logik und die euklidische Geometrie...).
Bei Leuten wie Fichte, Schelling und Kant wird der "Standort" der Vernunft ja woanders verortet ihre grundsätzlich a priori-FUnktion aber nicht in Frage gestellt - insb. bei Hegel, der ja einen " sich selbst offenbarenden Weltgeist" (dessen Phänomeneologie er betreibt) annimt liegt also die Logik zwar außerhalb der Indiviuen (wie auch bei allen Philosophen der "realistischen" Schulen(also Idealisten, Neoplatonikern, christ. Thomismus) - im Unterschied zu den "nominalistischen Schulen" (Empirsimus, Positivsmus, Skeptizismus, KOnstruktivismus, Ockamisten...) aber in einer hören Entität eingebettet (Hegel nimmt also eine Zwischenposition ein, in der Frage ob die Logik ontologisch real ist (also ob sie Wahrhaftig existiert, also auch wenn z.B. es keine Menschen gibt) oder ob sie funktionalistisch erschaffen (egal ob evolutionär oder rational) worden ist und deshalb nur als Werkzeug im intersubektiven Bereich existiert.
Die heute Logik und Metalogik kümmert sich eigentlich nicht um diese Frage - sie ist Philosophie. Es liegt ein ähnliches Verhältnis vor wie bei zwischen Sportkommentatoren und Sportlern, die einen Versuchen eine Bedeutung rauszulesen und die anderen praktizieren es einfach.
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Gast
New PostErstellt: 14.02.06, 00:40  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

nach Fichte und Schelling muss es natürlich Hegel heißen
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zystein


New PostErstellt: 14.02.06, 00:59  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

hallo gast...

...lehrst du zufällig in Berlin? ---

mfg
zystein
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Gast
New PostErstellt: 14.02.06, 01:26  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Nein - ich lehre überhaupt nicht mehr (wäre jetzt auch langsam zu gebrechlich, nicht unbedingt zu alt). In Deutschland könnte ich mit meinen Sprachproblemen (wie bereits gesagt kann ich Deutsch nur sehr schlecht sprechen und mein Englisch ist für Europäer ziemlich unverständlich) - usrpünglich komme ich (und übrigens bin ich männlich - um eine andere Frage zu klären) aus Myamnar (Burma), hatte aber einen Lehrstuhl (das klingt jetzt hochgestochen - aber mein Fachgebiet wird in Südasien vielleicht noch von 20 anderen geteilt und jeder von ihnen sitzt als Dozent im bengalischen Raum mit seinen unzählbaren UNiversitäten und Hochschulen; es ist also wirklich keine Kunst dort momentan an den Universitäte unterzukommen - es ist allerdings von Vorteil weder Hindu noch Moslem zu sein)l in Kalkutta (obwohl ich meistens in Benares unterrichten musste - das ist 'ne wirklich weite Strecke und vewrrät einiges über die ind. Hochschulstruktur).
In Deutschland gibt es nur zwei Universitäten die Logik getrennt von philosophie (im Unterschied zur angelsächsischen Welt und den ehem. Commonwealthstaaten, wo das Standard ist) unterrichten: München und Leipzig: obwohl ich in Leipzig wirklich herzliche und nette Kollegen kenne, zeichnet sich München durch "kompetentere" (alle sind natürlich auf ihrem jeweiligen Gebiet kompetent - aber manche sind halt auch noch zukunftsweisend) und internationalere Fachkräfte aus.
Berlin ist eher durch eine Tradition der phil. Ganzheitsbetrachtungen (klar die Universität von Hegel und die DDR-Staatstradition) gekennzeichnet - ist diesen Bereichen fühl ich mich nicht gewachsen gegenüber europ. Gelehrten und Berlin genießt eher in dieser Hinsicht einen guten Ruf deswegen kenn ich dort auch fast niemanden).
Leben in Deutschland tu ich v.a. im Raum um den Main, allerdings halte ich mich zur Zeit bei angeheirateten Verwandten in München auf.
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soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 14.02.06, 08:36  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: zystein
    Schön, mit dem eingangs Gesagten hast du definiert, in welcher Weise A oder B von C abhängen. Das war mit Prämissen "akzeptieren" gemeint.
    Und Vorsicht: Die Negation von gesund im Booleschen Sinne ist
    "nicht_gesund" und NICHT etwa "krank". Mag ja sein das für dich krank das GEGENTEIL von gesund ist, es ist aber - wie gesagt - nicht die Negation.
Die Existenz und Notwendigkeit von Prämissen (ist Axiom ein Synonym und wenn nein, was ist der Unterschied), habe ich immer behauptet. Anders kann nach einer Trennung von "Logik" und "Semantik" die Form nicht wieder in den Inhalt geholt werden.
Wenn wir die Diskussion ausklammern, dass es möglicherweise Situationen gibt, wo man gesund und krank oder weder gesund noch krank sein kann, dann ist deine Aussage formal richtig, inhaltlich irrelevant. Denn dann fallen die Mengen "nicht krank" und "gesund" sowie "nicht gesund" und "krank" zusammen (auch bei anderen Stellen habe ich nicht starr negiert, sondern den Inhalt variiert, z.B. bei der Negation der Gesundenuntersuchung). Und - um einen Spruch der Werbung zu zitieren und das Begriffskarussel zu bewegen - "die Freiheit nehm ich mir."
Die Tatsache, dass du meine Aussage verstanden hast und den logischen Gehalt erkennen konntest, obwohl streng formal inkorrekt (wie du richtig sagtest), dennoch inhaltlich verständlich, zeigt, wie sehr beides zusammen gehört.

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Isquierda

Beiträge: 279
Ort: Magdeburg

New PostErstellt: 14.02.06, 08:38  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Lieber Gast,

ich danke dir für deine Ausführungen!

Liebe Grüße

Ines

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soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 14.02.06, 11:13  Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur  drucken  weiterempfehlen

Nun, aber gerade bei Kant gibt es neben der "reinen Vernunft" auch die "praktische". Sozusagen die Vernunft der "Notwendigkeiten", der "reinen Logik" - mit ihr ist Kant der philosophische Sinnstifter der Naturwissenschaften - und die "Vernunft des Sollens".
Die reine Vernunft fragt, "Wo ist das Ziel?" und erarbeitet den Weg.
Die praktische Vernunft beschäftigt sich mit der Frage "Was ist das Ziel?". Und mit seinem kategorischen Imperativ hat Kant tatsächlich ein formales System entwickeln wollen, dass unser Sollen determiniert. Dies führte dann aber zu abstrusen Aussagen: du darfst nicht lügen, auch wenn ein Freund sich bei dir versteckt hält und Mörder hinter ihm her sind und dich fragen, wo er denn sei.
Weniger das formale System finde ich daher hier interessant, als letztlich Kants Versuch, die Vernunft zu teilen: in eine "reine" Vernunft, die das Werkzeug des Menschen ist, seine Ziele zu erreichen und
eine "praktische Vernunft", die uns sagt, wo das Ziel liegt.

Ich will den Unterschied zwischen reiner und praktischer Vernunft an einem nicht-naturwissenschaftlichen Beispiel erklären:
Hitler sprach davon, dass sein Antisemitismus keiner "der Gefühle" sein solle, wo hier und da mal ein Progrom stattfindet, aber alles so zerfahren und unstetig sei, dass man einer "Lösung der Judenfrage" letztlich immer noch nicht entgegensehen könne. Er forderte einen ohne Gefühle und Empfindungen, einen, der das Ziel der "Lösung" im Auge behalte, er sprach von einem "Antisemitismus der Vernunft" (in diesem Sinne ist auch Himmlers Zitat des "anständigen" SS-Wächters im Konzentratioslager zu verstehen, der ein - jüdisches - Kind liebevoll bei der Hand nimmt und in die Gaskammer führt).
Hier ist das Ziel vorgegeben und die Vernunft "erarbeitet" (sozusagen) den effektivsten Weg zum Ziel. Das ist die reine Vernunft.
Die praktische Vernunft hingegen würde die Frage bedeutet, "ist Antisemitismus vernünftig?" und zwar nicht im Sinne eines höheren Zieles der reinen Vernunft (Motto: ja, denn wir brauchen dringend einen Sündenbock), sondern im Sinne der Ethik (Motto, dürfen wir denn das?).

Nun hat Hegel letztlich versucht, diese Trennung von praktischer und reiner Vernunft wieder aufzuheben, indem er beide Teile zusammenführen wollte (ich glaube in der Wissenschaft der Logik kommt es vor: Sein Werk seien "die ersten Gedanken Gottes nach der Erschaffung der Welt.")
Die (formale) Logik wiederum versucht diese Trennung dadurch aufzuheben, dass sie entweder der praktischen Vernunft die Logik abspricht (Logik hat mit Wahrheit/Sollen nichts zu tun) oder die Existenz der praktischen Vernunft schlicht leugnet (es gibt keine Wahrheit/kein Sollen).

Hierzu gibt es zweierlei zu bemerken:
1. Die Einheit von praktischer und reiner Vernunft im Sinne Hegels führt zwar zu einer deterministischen Weltsicht, aber die muss keineswegs abstrus sein. Und hegelianisch schon gar nicht (mit dem umherhüpfenden Weltgeist, der nichts anderes ist, als ständige Machtpotenzierung). Hier sei wieder einmal an Spinoza erinnert, der auf seiner deterministischen Betrachtung der Welt im 17. Jahrhundert darlegte: "Warum jeder denken darf, was er will und sagen darf, was er denkt."
Spinoza würde ich bezeichnen als Atheisten (und er gehörte ja keiner Religionsgemeinschaft an, weil die Juden ihn ausgeschlossen hatten und er keiner anderen Religion beigetreten ist), der das aber nicht sagen durfte; und als Anarchisten, der das aber nicht dachte.
2. Auch wenn man aber tatsächlich eine Trennung von praktischer und reiner Vernunft annehmen sollte, so ergibt sich daraus nicht, dass das Sollen nicht auch "logisch" ist, sprich außerhalb der Logik liegt. In dem Fall würde ich sagen, in den Bereichen, in denen es um "reine Vernunft" geht, kann die "Logik" von der "Semantik" getrennt werden, weil das Ziel nicht logisch, sondern beliebig sein kann, die Logik sich mit dem Weg beschäftigt und das geschieht letztlich nur über die Verknüpfungen. In der "praktischen Vernunft" geht das nicht.
Ich würde es auch letztlich anders formulieren:
In der "reinen Vernunft" kann der Logik letztlich ein formaler (und nicht konkreter) INHALT gegeben werden, DENN: auch hier benötigt jedes Symbol einen bestimmten, wenn auch nicht konkretisierbaren Inhalt und wenn er nur der ist: Symbol x ist Platzhalter für irgendeine Aussage, y für irgendeine andere Aussage). Mir war schon klar, dass meine Frage, ob 1+1=2 logisch sei, letztlich die Ebene der Mathematik und nicht die der Logik betrifft. Aber auf der Tastatur sind nun mal die mathematischen, nicht aber die Symbole der Logik und ich wollte das Formalhafte zeigen. Aber du hast die Problematik sehr schön in die Logik übertragen: 1+1=3 ist logisch betrachtet wahr, weil die Zeichenabfolge stimmt. Ob es inhaltlich wahr ist, ist eine Frage der Mathematik.
112+= ist logisch betrachtet "falsch", weil die Zeichenabfolge nicht stimmt. Aber wie stellt man fest, ob die logische Struktur richtig (oder wahr) ist oder falsch? Indem jedes Symbol einen Inhalt in sich trägt. Du kannst nur dann feststellen, dass 1+1=3 eine richtige Reihenfolge ist, weil 1 einen bestimmten aber nicht konkreten Inhalt hat, 3 auch, + und = haben dann auch noch einen konkreten Inhalt. Erst mit diesen vier Inhalten kann die Logik feststellen, der Satz ist formal "korrekt", der Satz 112+= ist formal "falsch". Somit ist zwar die Logik von dem konkreten Inhalt abgekoppelt, aber benötigt dennoch eines formalen, abstrakten Inhaltes.
Der Unterschied zur "praktischen Vernunft" ist jedoch, dass sich die praktische Vernunft nicht einmal vom konkreten Inhalt lösen läßt, weil sie das Ziel untersucht und diese Untersuchung ist immer konkret. Und angesichts von Personen, wie Spinoza, werde ich der praktischen Vernunft nicht ihren logischen Gehalt absprechen lassen, der genauso Teil des Inhalts, wie der Form ist.

Und wenn mir nun Menschen vorwefen, dass das Esoterik ist, dann antworte ich ihnen, sie sprechen von Sachen, von denen sie keine Ahnung haben. Denn gerade die Esoterik verzichtet gänzlich darauf, das Ziel logisch zu untersuchen, sondern setzen es als "göttlichen Willen". Auf ihre eingenen inhaltlich-logischen Unsinnigkeiten kommen diese "Religiösen" nicht einmal. Auch das hat Spinoza mal festgehalten: da beten die Christen in Kirchen, dass bestimmtes nicht Eintreffen soll, z.B. an einer Krankheit sterben usw. (und in katholischen Ländern findet mal überall sogenannte Pestsäulen, die eine Einlösung einer Gegenleistung an Gott sind, aus Dank für das Überleben der Pest). Andererseits geben sie Gott das Attribut allwissend. Wenn nun Gott allwissend ist, dann wusste Gott auch lange bevor der Mensch krank wurde, dass er das wird und ob er daran sterben wird. Das steht schon fest. Und da Gott allwissend ist, kann er sich logischerweise nicht umentscheiden, denn auch das hätte er schon vorher gewußt. Ergo ist "Gott umstimmen zu wollen" letztlich die Negation von Gottes Allwissendheit.

Der Anspruch, die praktische Vernunft, d.h. die Ziele durch logische Überlegungen zu ergründen, das ist das Gegenteil von Esoterik, weil Ersoterik Hinterfragen verbietet und durch Gedankensperren verhindert. Und wenn man aber die reine Vernunft einfach auf die praktische überträgt, dann macht man genau das "Hinterfragen verbieten und verhindern". Praktische Vernunft ist aber genau das Hinterfragen, Ergründen.

Die Logik auf die reine Vernunft beschränken und der praktischen Vernunft abzusprechen, das wiederum heißt letztlich, das Zusammenleben der Menschen der Beliebigkeit preisgeben. Das ist aber nicht beliebig, weil wir alle leben wollen, ein schönes Leben führen wollen, nicht leiden wollen. DAS IST (jedem einzelnen) MIR NICHT BELIEBIG. Und es gibt logische Gründe, warum man auf diese und jene Weise das Leben für alle angenehmer und auf jene schrecklicher wird. Es gibt einen Grund, warum Ludwig XV. sagte "nach mir die Sindtflut" und seine Handlungen so zur Hinrichtung seines Sohnes Ludwigs XVI. führten.

Man kann diese Zusammenhänge anders nennen, als Logik. Aber macht das Sinn?

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